Goethe, Johann Wolfgang von: Iphigenie auf Tauris. Leipzig, 1787.Ein Schauspiel. Orest zu Iphigenien. Laß mich zum erstenmal mit freyem Herzen In deinen Armen reine Freude haben! Ihr Götter, die mit flammender Gewalt Ihr schwere Wolken aufzuzehren wandelt, Und gnädig-ernst den lang' erflehten Regen Mit Donnerstimmen und mit Windes-Brausen In wilden Strömen auf die Erde schüttet; Doch bald der Menschen grausendes Erwarten In Segen auflös't und das bange Staunen In Freudeblick und lauten Dank verwandelt, Wenn in den Tropfen frischerquickter Blätter Die neue Sonne tausendfach sich spiegelt, Und Iris freundlich bunt mit leichter Hand Den grauen Flor der letzten Wolken trennt; O laßt mich auch an meiner Schwester Armen, An meines Freundes Brust, was ihr mir gönnt Mit vollem Dank genießen und behalten. Es löset sich der Fluch, mir sagt's das Herz. Die Eumeniden ziehn, ich höre sie, Zum Tartarus und schlagen hinter sich Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu. F
Ein Schauſpiel. Oreſt zu Iphigenien. Laß mich zum erſtenmal mit freyem Herzen In deinen Armen reine Freude haben! Ihr Götter, die mit flammender Gewalt Ihr ſchwere Wolken aufzuzehren wandelt, Und gnädig-ernſt den lang’ erflehten Regen Mit Donnerſtimmen und mit Windes-Brauſen In wilden Strömen auf die Erde ſchüttet; Doch bald der Menſchen grauſendes Erwarten In Segen auflöſ’t und das bange Staunen In Freudeblick und lauten Dank verwandelt, Wenn in den Tropfen friſcherquickter Blätter Die neue Sonne tauſendfach ſich ſpiegelt, Und Iris freundlich bunt mit leichter Hand Den grauen Flor der letzten Wolken trennt; O laßt mich auch an meiner Schweſter Armen, An meines Freundes Bruſt, was ihr mir gönnt Mit vollem Dank genießen und behalten. Es löſet ſich der Fluch, mir ſagt’s das Herz. Die Eumeniden ziehn, ich höre ſie, Zum Tartarus und ſchlagen hinter ſich Die ehrnen Thore fernabdonnernd zu. F
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Ein Schauſpiel.
Oreſt zu Iphigenien.
Laß mich zum erſtenmal mit freyem Herzen
In deinen Armen reine Freude haben!
Ihr Götter, die mit flammender Gewalt
Ihr ſchwere Wolken aufzuzehren wandelt,
Und gnädig-ernſt den lang’ erflehten Regen
Mit Donnerſtimmen und mit Windes-Brauſen
In wilden Strömen auf die Erde ſchüttet;
Doch bald der Menſchen grauſendes Erwarten
In Segen auflöſ’t und das bange Staunen
In Freudeblick und lauten Dank verwandelt,
Wenn in den Tropfen friſcherquickter Blätter
Die neue Sonne tauſendfach ſich ſpiegelt,
Und Iris freundlich bunt mit leichter Hand
Den grauen Flor der letzten Wolken trennt;
O laßt mich auch an meiner Schweſter Armen,
An meines Freundes Bruſt, was ihr mir gönnt
Mit vollem Dank genießen und behalten.
Es löſet ſich der Fluch, mir ſagt’s das Herz.
Die Eumeniden ziehn, ich höre ſie,
Zum Tartarus und ſchlagen hinter ſich
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