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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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hätte den größten Mann hindurch gelassen.
Bogen und Gewände waren aufs zierlichste
vom Steinmetz und Bildhauer ausgemeißelt,
die Thüre selbst aber zog erst recht meine
Aufmerksamkeit an sich. Braunes uraltes
Holz, nur wenig verziert, war mit breiten,
sowohl erhaben als vertieft gearbeiteten Bän¬
dern von Erz beschlagen, deren Laubwerk,
worin die natürlichsten Vögel saßen, ich
nicht genug bewundern konnte. Doch was
mir das merkwürdigste schien, kein Schlüssel¬
loch war zu sehen, keine Klinke, kein Klop¬
fer, und ich vermuthete daraus, daß diese
Thüre nur von innen aufgemacht werde.
Ich hatte mich nicht geirrt: denn als ich ihr
näher trat, um die Zieraten zu befühlen,
that sie sich hineinwärts auf, und es erschien
ein Mann, dessen Kleidung etwas Langes,
Weites und Sonderbares hatte. Auch ein ehr¬
würdiger Bart umwölkte sein Kinn; daher
ich ihn für einen Juden zu halten geneigt
war. Er aber, eben als wenn er meine Ge¬

haͤtte den groͤßten Mann hindurch gelaſſen.
Bogen und Gewaͤnde waren aufs zierlichſte
vom Steinmetz und Bildhauer ausgemeißelt,
die Thuͤre ſelbſt aber zog erſt recht meine
Aufmerkſamkeit an ſich. Braunes uraltes
Holz, nur wenig verziert, war mit breiten,
ſowohl erhaben als vertieft gearbeiteten Baͤn¬
dern von Erz beſchlagen, deren Laubwerk,
worin die natuͤrlichſten Voͤgel ſaßen, ich
nicht genug bewundern konnte. Doch was
mir das merkwuͤrdigſte ſchien, kein Schluͤſſel¬
loch war zu ſehen, keine Klinke, kein Klop¬
fer, und ich vermuthete daraus, daß dieſe
Thuͤre nur von innen aufgemacht werde.
Ich hatte mich nicht geirrt: denn als ich ihr
naͤher trat, um die Zieraten zu befuͤhlen,
that ſie ſich hineinwaͤrts auf, und es erſchien
ein Mann, deſſen Kleidung etwas Langes,
Weites und Sonderbares hatte. Auch ein ehr¬
wuͤrdiger Bart umwoͤlkte ſein Kinn; daher
ich ihn fuͤr einen Juden zu halten geneigt
war. Er aber, eben als wenn er meine Ge¬

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[110/0126] haͤtte den groͤßten Mann hindurch gelaſſen. Bogen und Gewaͤnde waren aufs zierlichſte vom Steinmetz und Bildhauer ausgemeißelt, die Thuͤre ſelbſt aber zog erſt recht meine Aufmerkſamkeit an ſich. Braunes uraltes Holz, nur wenig verziert, war mit breiten, ſowohl erhaben als vertieft gearbeiteten Baͤn¬ dern von Erz beſchlagen, deren Laubwerk, worin die natuͤrlichſten Voͤgel ſaßen, ich nicht genug bewundern konnte. Doch was mir das merkwuͤrdigſte ſchien, kein Schluͤſſel¬ loch war zu ſehen, keine Klinke, kein Klop¬ fer, und ich vermuthete daraus, daß dieſe Thuͤre nur von innen aufgemacht werde. Ich hatte mich nicht geirrt: denn als ich ihr naͤher trat, um die Zieraten zu befuͤhlen, that ſie ſich hineinwaͤrts auf, und es erſchien ein Mann, deſſen Kleidung etwas Langes, Weites und Sonderbares hatte. Auch ein ehr¬ wuͤrdiger Bart umwoͤlkte ſein Kinn; daher ich ihn fuͤr einen Juden zu halten geneigt war. Er aber, eben als wenn er meine Ge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/126>, abgerufen am 21.11.2024.