Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

mir dabey ein besonderes Wohlwollen. Hie¬
durch nun völlig beruhigt, ließ ich mich in
dem belaubten Raume an der Mauer, die
sich ins Runde, zog, weiter führen, und fand
manches an ihr zu bewundern. Nischen,
mit Muscheln, Corallen und Metallstufen
künstlich ausgeziert, gaben aus Tritonenmäu¬
lern reichliches Wasser in marmorne Becken;
dazwischen waren Vogelhäuser angebracht und
andre Vergitterungen, worin Eichhörnchen
herumhüpften, Meerschweinchen hin und wie¬
der liefen, und was man nur sonst von arti¬
gen Geschöpfen wünschen kann. Die Vögel
riefen und sangen uns an, wie wir vorschrit¬
ten; die Staare besonders schwätzten das
närrischste Zeug; der eine rief immer: Paris,
Paris, und der andre: Narciß, Narciß, so
deutlich als es ein Schulknabe nur ausspre¬
chen kann. Der Alte schien mich immer
ernsthaft anzusehen, indem die Vögel dieses
riefen; ich that aber nicht als wenn ich's
merkte, und hatte auch wirklich nicht Zeit

I. 8

mir dabey ein beſonderes Wohlwollen. Hie¬
durch nun voͤllig beruhigt, ließ ich mich in
dem belaubten Raume an der Mauer, die
ſich ins Runde, zog, weiter fuͤhren, und fand
manches an ihr zu bewundern. Niſchen,
mit Muſcheln, Corallen und Metallſtufen
kuͤnſtlich ausgeziert, gaben aus Tritonenmaͤu¬
lern reichliches Waſſer in marmorne Becken;
dazwiſchen waren Vogelhaͤuſer angebracht und
andre Vergitterungen, worin Eichhoͤrnchen
herumhuͤpften, Meerſchweinchen hin und wie¬
der liefen, und was man nur ſonſt von arti¬
gen Geſchoͤpfen wuͤnſchen kann. Die Voͤgel
riefen und ſangen uns an, wie wir vorſchrit¬
ten; die Staare beſonders ſchwaͤtzten das
naͤrriſchſte Zeug; der eine rief immer: Paris,
Paris, und der andre: Narciß, Narciß, ſo
deutlich als es ein Schulknabe nur ausſpre¬
chen kann. Der Alte ſchien mich immer
ernſthaft anzuſehen, indem die Voͤgel dieſes
riefen; ich that aber nicht als wenn ich's
merkte, und hatte auch wirklich nicht Zeit

I. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0129" n="113"/>
mir dabey ein be&#x017F;onderes Wohlwollen. Hie¬<lb/>
durch nun vo&#x0364;llig beruhigt, ließ ich mich in<lb/>
dem belaubten Raume an der Mauer, die<lb/>
&#x017F;ich ins Runde, zog, weiter fu&#x0364;hren, und fand<lb/>
manches an ihr zu bewundern. Ni&#x017F;chen,<lb/>
mit Mu&#x017F;cheln, Corallen und Metall&#x017F;tufen<lb/>
ku&#x0364;n&#x017F;tlich ausgeziert, gaben aus Tritonenma&#x0364;<lb/>
lern reichliches Wa&#x017F;&#x017F;er in marmorne Becken;<lb/>
dazwi&#x017F;chen waren Vogelha&#x0364;u&#x017F;er angebracht und<lb/>
andre Vergitterungen, worin Eichho&#x0364;rnchen<lb/>
herumhu&#x0364;pften, Meer&#x017F;chweinchen hin und wie¬<lb/>
der liefen, und was man nur &#x017F;on&#x017F;t von arti¬<lb/>
gen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen wu&#x0364;n&#x017F;chen kann. Die Vo&#x0364;gel<lb/>
riefen und &#x017F;angen uns an, wie wir vor&#x017F;chrit¬<lb/>
ten; die Staare be&#x017F;onders &#x017F;chwa&#x0364;tzten das<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;ch&#x017F;te Zeug; der eine rief immer: Paris,<lb/>
Paris, und der andre: Narciß, Narciß, &#x017F;o<lb/>
deutlich als es ein Schulknabe nur aus&#x017F;pre¬<lb/>
chen kann. Der Alte &#x017F;chien mich immer<lb/>
ern&#x017F;thaft anzu&#x017F;ehen, indem die Vo&#x0364;gel die&#x017F;es<lb/>
riefen; ich that aber nicht als wenn ich's<lb/>
merkte, und hatte auch wirklich nicht Zeit<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">I. 8<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0129] mir dabey ein beſonderes Wohlwollen. Hie¬ durch nun voͤllig beruhigt, ließ ich mich in dem belaubten Raume an der Mauer, die ſich ins Runde, zog, weiter fuͤhren, und fand manches an ihr zu bewundern. Niſchen, mit Muſcheln, Corallen und Metallſtufen kuͤnſtlich ausgeziert, gaben aus Tritonenmaͤu¬ lern reichliches Waſſer in marmorne Becken; dazwiſchen waren Vogelhaͤuſer angebracht und andre Vergitterungen, worin Eichhoͤrnchen herumhuͤpften, Meerſchweinchen hin und wie¬ der liefen, und was man nur ſonſt von arti¬ gen Geſchoͤpfen wuͤnſchen kann. Die Voͤgel riefen und ſangen uns an, wie wir vorſchrit¬ ten; die Staare beſonders ſchwaͤtzten das naͤrriſchſte Zeug; der eine rief immer: Paris, Paris, und der andre: Narciß, Narciß, ſo deutlich als es ein Schulknabe nur ausſpre¬ chen kann. Der Alte ſchien mich immer ernſthaft anzuſehen, indem die Voͤgel dieſes riefen; ich that aber nicht als wenn ich's merkte, und hatte auch wirklich nicht Zeit I. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/129
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/129>, abgerufen am 21.11.2024.