Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

versetzte jener; aber auf neue Bedingun¬
gen." -- Als ich nach diesen fragte, gab er
mir zu erkennen, daß ich mich umkleiden
müsse. Ich war es sehr zufrieden; er führte
mich zurück nach der Mauer in einen kleinen
reinlichen Saal, an dessen Wänden mancher¬
ley Kleidungen hingen, die sich sämmtlich
dem orientalischen Costum zu nähern schienen.
Ich war geschwind umgekleidet; er streifte
meine gepuderten Haare unter ein buntes
Netz, nachdem er sie zu meinem Entsetzen
gewaltig ausgestäubt hatte. Nun fand ich
mich vor einem großen Spiegel in meiner
Vermummung gar hübsch, und gefiel mir
besser als in meinem steifen Sonntagskleide.
Ich machte einige Gebärden und Sprünge,
wie ich sie von den Tänzern auf dem Me߬
theater gesehen hatte. Unter diesem sah ich
in den Spiegel und erblickte zufällig das Bild
einer hinter mir befindlichen Nische. Auf
ihrem weißen Grunde hingen drey grüne
Strickchen, jedes in sich auf eine Weise ver¬

verſetzte jener; aber auf neue Bedingun¬
gen.“ — Als ich nach dieſen fragte, gab er
mir zu erkennen, daß ich mich umkleiden
muͤſſe. Ich war es ſehr zufrieden; er fuͤhrte
mich zuruͤck nach der Mauer in einen kleinen
reinlichen Saal, an deſſen Waͤnden mancher¬
ley Kleidungen hingen, die ſich ſaͤmmtlich
dem orientaliſchen Coſtum zu naͤhern ſchienen.
Ich war geſchwind umgekleidet; er ſtreifte
meine gepuderten Haare unter ein buntes
Netz, nachdem er ſie zu meinem Entſetzen
gewaltig ausgeſtaͤubt hatte. Nun fand ich
mich vor einem großen Spiegel in meiner
Vermummung gar huͤbſch, und gefiel mir
beſſer als in meinem ſteifen Sonntagskleide.
Ich machte einige Gebaͤrden und Spruͤnge,
wie ich ſie von den Taͤnzern auf dem Me߬
theater geſehen hatte. Unter dieſem ſah ich
in den Spiegel und erblickte zufaͤllig das Bild
einer hinter mir befindlichen Niſche. Auf
ihrem weißen Grunde hingen drey gruͤne
Strickchen, jedes in ſich auf eine Weiſe ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="117"/>
ver&#x017F;etzte jener; aber auf neue Bedingun¬<lb/>
gen.&#x201C; &#x2014; Als ich nach die&#x017F;en fragte, gab er<lb/>
mir zu erkennen, daß ich mich umkleiden<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Ich war es &#x017F;ehr zufrieden; er fu&#x0364;hrte<lb/>
mich zuru&#x0364;ck nach der Mauer in einen kleinen<lb/>
reinlichen Saal, an de&#x017F;&#x017F;en Wa&#x0364;nden mancher¬<lb/>
ley Kleidungen hingen, die &#x017F;ich &#x017F;a&#x0364;mmtlich<lb/>
dem orientali&#x017F;chen Co&#x017F;tum zu na&#x0364;hern &#x017F;chienen.<lb/>
Ich war ge&#x017F;chwind umgekleidet; er &#x017F;treifte<lb/>
meine gepuderten Haare unter ein buntes<lb/>
Netz, nachdem er &#x017F;ie zu meinem Ent&#x017F;etzen<lb/>
gewaltig ausge&#x017F;ta&#x0364;ubt hatte. Nun fand ich<lb/>
mich vor einem großen Spiegel in meiner<lb/>
Vermummung gar hu&#x0364;b&#x017F;ch, und gefiel mir<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er als in meinem &#x017F;teifen Sonntagskleide.<lb/>
Ich machte einige Geba&#x0364;rden und Spru&#x0364;nge,<lb/>
wie ich &#x017F;ie von den Ta&#x0364;nzern auf dem Me߬<lb/>
theater ge&#x017F;ehen hatte. Unter die&#x017F;em &#x017F;ah ich<lb/>
in den Spiegel und erblickte zufa&#x0364;llig das Bild<lb/>
einer hinter mir befindlichen Ni&#x017F;che. Auf<lb/>
ihrem weißen Grunde hingen drey gru&#x0364;ne<lb/>
Strickchen, jedes in &#x017F;ich auf eine Wei&#x017F;e ver¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0133] verſetzte jener; aber auf neue Bedingun¬ gen.“ — Als ich nach dieſen fragte, gab er mir zu erkennen, daß ich mich umkleiden muͤſſe. Ich war es ſehr zufrieden; er fuͤhrte mich zuruͤck nach der Mauer in einen kleinen reinlichen Saal, an deſſen Waͤnden mancher¬ ley Kleidungen hingen, die ſich ſaͤmmtlich dem orientaliſchen Coſtum zu naͤhern ſchienen. Ich war geſchwind umgekleidet; er ſtreifte meine gepuderten Haare unter ein buntes Netz, nachdem er ſie zu meinem Entſetzen gewaltig ausgeſtaͤubt hatte. Nun fand ich mich vor einem großen Spiegel in meiner Vermummung gar huͤbſch, und gefiel mir beſſer als in meinem ſteifen Sonntagskleide. Ich machte einige Gebaͤrden und Spruͤnge, wie ich ſie von den Taͤnzern auf dem Me߬ theater geſehen hatte. Unter dieſem ſah ich in den Spiegel und erblickte zufaͤllig das Bild einer hinter mir befindlichen Niſche. Auf ihrem weißen Grunde hingen drey gruͤne Strickchen, jedes in ſich auf eine Weiſe ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/133
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/133>, abgerufen am 21.05.2024.