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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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denklich. -- Drey Aepfel, sagte ich, drey Ju¬
welen. -- "Und was verlangst du zum
Lohn?" rief er aus. -- Vor allen Dingen
das kleine Geschöpf, versetzte ich, die mich in
diesen verwünschten Zustand gebracht hat. --
Der Alte warf sich vor mir nieder, ohne sich
vor der noch feuchten und schlammigen Erde
zu scheuen; dann stand er auf, ohne benetzt zu
seyn, nahm mich freundlich bey der Hand,
führte mich in jenen Saal, kleidete mich be¬
hend wieder an, und bald war ich wieder
sonntägig geputzt und frisirt wie vorher. Der
Pförtner sprach kein Wort weiter; aber ehe er
mich über die Schwelle ließ, hielt er mich an,
und deutete mir auf einige Gegenstände an der
Mauer drüben über den Weg, indem er zu¬
gleich rückwärts auf das Pförtchen zeigte.
Ich verstand ihn wohl; er wollte nämlich, daß
ich mir die Gegenstände einprägen möchte,
um das Pförtchen desto gewisser wieder zu
finden, welches sich unversehens hinter mir
zuschloß. Ich merkte mir nun wohl, was mir

denklich. — Drey Aepfel, ſagte ich, drey Ju¬
welen. — „Und was verlangſt du zum
Lohn?“ rief er aus. — Vor allen Dingen
das kleine Geſchoͤpf, verſetzte ich, die mich in
dieſen verwuͤnſchten Zuſtand gebracht hat. —
Der Alte warf ſich vor mir nieder, ohne ſich
vor der noch feuchten und ſchlammigen Erde
zu ſcheuen; dann ſtand er auf, ohne benetzt zu
ſeyn, nahm mich freundlich bey der Hand,
fuͤhrte mich in jenen Saal, kleidete mich be¬
hend wieder an, und bald war ich wieder
ſonntaͤgig geputzt und friſirt wie vorher. Der
Pfoͤrtner ſprach kein Wort weiter; aber ehe er
mich uͤber die Schwelle ließ, hielt er mich an,
und deutete mir auf einige Gegenſtaͤnde an der
Mauer druͤben uͤber den Weg, indem er zu¬
gleich ruͤckwaͤrts auf das Pfoͤrtchen zeigte.
Ich verſtand ihn wohl; er wollte naͤmlich, daß
ich mir die Gegenſtaͤnde einpraͤgen moͤchte,
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[135/0151] denklich. — Drey Aepfel, ſagte ich, drey Ju¬ welen. — „Und was verlangſt du zum Lohn?“ rief er aus. — Vor allen Dingen das kleine Geſchoͤpf, verſetzte ich, die mich in dieſen verwuͤnſchten Zuſtand gebracht hat. — Der Alte warf ſich vor mir nieder, ohne ſich vor der noch feuchten und ſchlammigen Erde zu ſcheuen; dann ſtand er auf, ohne benetzt zu ſeyn, nahm mich freundlich bey der Hand, fuͤhrte mich in jenen Saal, kleidete mich be¬ hend wieder an, und bald war ich wieder ſonntaͤgig geputzt und friſirt wie vorher. Der Pfoͤrtner ſprach kein Wort weiter; aber ehe er mich uͤber die Schwelle ließ, hielt er mich an, und deutete mir auf einige Gegenſtaͤnde an der Mauer druͤben uͤber den Weg, indem er zu¬ gleich ruͤckwaͤrts auf das Pfoͤrtchen zeigte. Ich verſtand ihn wohl; er wollte naͤmlich, daß ich mir die Gegenſtaͤnde einpraͤgen moͤchte, um das Pfoͤrtchen deſto gewiſſer wieder zu finden, welches ſich unverſehens hinter mir zuſchloß. Ich merkte mir nun wohl, was mir

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/151>, abgerufen am 17.05.2024.