gleichem Alter mit ihrem Manne. Auch erin¬ nerte ich mich, in ihrem Zimmer das Minia¬ turbild eines schönen Herrn, in Uniform mit Stern und Orden, gesehen zu haben, wel¬ ches nach ihrem Tode mit vielen andern klei¬ nen Geräthschaften, während des alles um¬ wälzenden Hausbaues, verschwunden war. Solche wie manche andre Dinge baute ich mir in meinem kindischen Kopfe zusammen, und übte frühzeitig genug jenes moderne Dichter-Talent, welches durch eine abenteu¬ erliche Verknüpfung der bedeutenden Zustände des menschlichen Lebens sich die Theilnahme der ganzen cultivirten Welt zu verschaffen weiß.
Da ich nun aber einen solchen Fall Nie¬ manden zu vertrauen, oder auch nur von ferne nachzufragen mich unterstand; so ließ ich es an einer heimlichen Betriebsamkeit nicht fehlen, um wo möglich der Sache et¬ was näher zu kommen. Ich hatte nämlich
gleichem Alter mit ihrem Manne. Auch erin¬ nerte ich mich, in ihrem Zimmer das Minia¬ turbild eines ſchoͤnen Herrn, in Uniform mit Stern und Orden, geſehen zu haben, wel¬ ches nach ihrem Tode mit vielen andern klei¬ nen Geraͤthſchaften, waͤhrend des alles um¬ waͤlzenden Hausbaues, verſchwunden war. Solche wie manche andre Dinge baute ich mir in meinem kindiſchen Kopfe zuſammen, und uͤbte fruͤhzeitig genug jenes moderne Dichter-Talent, welches durch eine abenteu¬ erliche Verknuͤpfung der bedeutenden Zuſtaͤnde des menſchlichen Lebens ſich die Theilnahme der ganzen cultivirten Welt zu verſchaffen weiß.
Da ich nun aber einen ſolchen Fall Nie¬ manden zu vertrauen, oder auch nur von ferne nachzufragen mich unterſtand; ſo ließ ich es an einer heimlichen Betriebſamkeit nicht fehlen, um wo moͤglich der Sache et¬ was naͤher zu kommen. Ich hatte naͤmlich
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gleichem Alter mit ihrem Manne. Auch erin¬
nerte ich mich, in ihrem Zimmer das Minia¬
turbild eines ſchoͤnen Herrn, in Uniform mit
Stern und Orden, geſehen zu haben, wel¬
ches nach ihrem Tode mit vielen andern klei¬
nen Geraͤthſchaften, waͤhrend des alles um¬
waͤlzenden Hausbaues, verſchwunden war.
Solche wie manche andre Dinge baute ich
mir in meinem kindiſchen Kopfe zuſammen,
und uͤbte fruͤhzeitig genug jenes moderne
Dichter-Talent, welches durch eine abenteu¬
erliche Verknuͤpfung der bedeutenden Zuſtaͤnde
des menſchlichen Lebens ſich die Theilnahme
der ganzen cultivirten Welt zu verſchaffen
weiß.
Da ich nun aber einen ſolchen Fall Nie¬
manden zu vertrauen, oder auch nur von
ferne nachzufragen mich unterſtand; ſo ließ
ich es an einer heimlichen Betriebſamkeit
nicht fehlen, um wo moͤglich der Sache et¬
was naͤher zu kommen. Ich hatte naͤmlich
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/168>, abgerufen am 21.05.2024.
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