Das Jahr 1757, das wir noch in völlig bürgerlicher Ruhe verbrachten, wurde dem ungeachtet in großer Gemüthsbewegung ver¬ lebt. Reicher an Begebenheiten als dieses war vielleicht kein anderes. Die Siege, die Großthaten, die Unglücksfälle, die Wieder¬ herstellungen folgten auf einander, verschlan¬ gen sich und schienen sich aufzuheben; immer aber schwebte die Gestalt Friedrich's, sein Name, sein Ruhm, in kurzem wieder oben. Der Enthusiasmus seiner Verehrer ward im¬ mer größer und belebter, der Haß seiner Feinde bitterer, und die Verschiedenheit der Ansichten, welche selbst Familien zerspaltete, trug nicht wenig dazu bey, die ohnehin schon auf mancherley Weise von einander getrenn¬ ten Bürger noch mehr zu isoliren. Denn in einer Stadt wie Frankfurt, wo drey Religio¬ nen die Einwohner in drey ungleiche Massen theilen, wo nur wenige Männer, selbst von der herrschenden, zum Regiment gelangen können, muß es gar manchen Wohlhabenden
Das Jahr 1757, das wir noch in voͤllig buͤrgerlicher Ruhe verbrachten, wurde dem ungeachtet in großer Gemuͤthsbewegung ver¬ lebt. Reicher an Begebenheiten als dieſes war vielleicht kein anderes. Die Siege, die Großthaten, die Ungluͤcksfaͤlle, die Wieder¬ herſtellungen folgten auf einander, verſchlan¬ gen ſich und ſchienen ſich aufzuheben; immer aber ſchwebte die Geſtalt Friedrich's, ſein Name, ſein Ruhm, in kurzem wieder oben. Der Enthuſiasmus ſeiner Verehrer ward im¬ mer groͤßer und belebter, der Haß ſeiner Feinde bitterer, und die Verſchiedenheit der Anſichten, welche ſelbſt Familien zerſpaltete, trug nicht wenig dazu bey, die ohnehin ſchon auf mancherley Weiſe von einander getrenn¬ ten Buͤrger noch mehr zu iſoliren. Denn in einer Stadt wie Frankfurt, wo drey Religio¬ nen die Einwohner in drey ungleiche Maſſen theilen, wo nur wenige Maͤnner, ſelbſt von der herrſchenden, zum Regiment gelangen koͤnnen, muß es gar manchen Wohlhabenden
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Das Jahr 1757, das wir noch in voͤllig
buͤrgerlicher Ruhe verbrachten, wurde dem
ungeachtet in großer Gemuͤthsbewegung ver¬
lebt. Reicher an Begebenheiten als dieſes
war vielleicht kein anderes. Die Siege, die
Großthaten, die Ungluͤcksfaͤlle, die Wieder¬
herſtellungen folgten auf einander, verſchlan¬
gen ſich und ſchienen ſich aufzuheben; immer
aber ſchwebte die Geſtalt Friedrich's, ſein
Name, ſein Ruhm, in kurzem wieder oben.
Der Enthuſiasmus ſeiner Verehrer ward im¬
mer groͤßer und belebter, der Haß ſeiner
Feinde bitterer, und die Verſchiedenheit der
Anſichten, welche ſelbſt Familien zerſpaltete,
trug nicht wenig dazu bey, die ohnehin ſchon
auf mancherley Weiſe von einander getrenn¬
ten Buͤrger noch mehr zu iſoliren. Denn in
einer Stadt wie Frankfurt, wo drey Religio¬
nen die Einwohner in drey ungleiche Maſſen
theilen, wo nur wenige Maͤnner, ſelbſt von
der herrſchenden, zum Regiment gelangen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/174>, abgerufen am 24.11.2024.
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