war, erschien er nach wie vor, mild, heiter und thätig. Aus den Reden seines Cammer¬ dieners, Saint Jean, eines kleinen hagern Mannes von muntrer Gutmüthigkeit, konnte man schließen, daß er in frühern Jahren von solcher Stimmung überwältigt, großes Unglück angerichtet, und sich nun vor ähnlichen Ab¬ wegen, bey einer so wichtigen, den Blicken al¬ ler Welt ausgesetzten Stelle, zu hüten ernstlich vornehme.
Gleich in den ersten Tagen der Anwesen¬ heit des Grafen wurden die sämmtlichen Frankfurter Maler, als Hirt, Schütz, Trautmann, Nothnagel, Junker, zu ihm berufen. Sie zeigten ihre fertigen Gemäl¬ de vor, und der Graf eignete sich das Verkäuf¬ liche zu. Ihm wurde mein hübsches helles Gie¬ belzimmer in der Mansarde eingeräumt und so¬ gleich in ein Cabinett und Atelier umgewandelt: denn er war Willens, die sämmtlichen Künstler, vor allen aber Seekaz in Darmstadt, des¬
war, erſchien er nach wie vor, mild, heiter und thaͤtig. Aus den Reden ſeines Cammer¬ dieners, Saint Jean, eines kleinen hagern Mannes von muntrer Gutmuͤthigkeit, konnte man ſchließen, daß er in fruͤhern Jahren von ſolcher Stimmung uͤberwaͤltigt, großes Ungluͤck angerichtet, und ſich nun vor aͤhnlichen Ab¬ wegen, bey einer ſo wichtigen, den Blicken al¬ ler Welt ausgeſetzten Stelle, zu huͤten ernſtlich vornehme.
Gleich in den erſten Tagen der Anweſen¬ heit des Grafen wurden die ſaͤmmtlichen Frankfurter Maler, als Hirt, Schuͤtz, Trautmann, Nothnagel, Junker, zu ihm berufen. Sie zeigten ihre fertigen Gemaͤl¬ de vor, und der Graf eignete ſich das Verkaͤuf¬ liche zu. Ihm wurde mein huͤbſches helles Gie¬ belzimmer in der Manſarde eingeraͤumt und ſo¬ gleich in ein Cabinett und Atelier umgewandelt: denn er war Willens, die ſaͤmmtlichen Kuͤnſtler, vor allen aber Seekaz in Darmſtadt, deſ¬
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war, erſchien er nach wie vor, mild, heiter
und thaͤtig. Aus den Reden ſeines Cammer¬
dieners, Saint Jean, eines kleinen hagern
Mannes von muntrer Gutmuͤthigkeit, konnte
man ſchließen, daß er in fruͤhern Jahren von
ſolcher Stimmung uͤberwaͤltigt, großes Ungluͤck
angerichtet, und ſich nun vor aͤhnlichen Ab¬
wegen, bey einer ſo wichtigen, den Blicken al¬
ler Welt ausgeſetzten Stelle, zu huͤten ernſtlich
vornehme.
Gleich in den erſten Tagen der Anweſen¬
heit des Grafen wurden die ſaͤmmtlichen
Frankfurter Maler, als Hirt, Schuͤtz,
Trautmann, Nothnagel, Junker, zu
ihm berufen. Sie zeigten ihre fertigen Gemaͤl¬
de vor, und der Graf eignete ſich das Verkaͤuf¬
liche zu. Ihm wurde mein huͤbſches helles Gie¬
belzimmer in der Manſarde eingeraͤumt und ſo¬
gleich in ein Cabinett und Atelier umgewandelt:
denn er war Willens, die ſaͤmmtlichen Kuͤnſtler,
vor allen aber Seekaz in Darmſtadt, deſ¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/212>, abgerufen am 27.11.2024.
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