im Innersten der Familie vorging. Da, wie gesagt, zwischen den Acten der Vorhang nicht niedergelassen wurde; so lösten, bey ein¬ fallender Musik, zwey andere dergestalt ab, daß sie aus den Culissen ganz strack vor jene hintraten, welche sich dann eben so gemessent¬ lich zurückzogen. Wenn nun eine solche An¬ stalt recht dazu geeignet war, alles was man beym Theater Illusion nennt, aufzuheben; so fällt es um so mehr auf, daß dieses zu einer Zeit geschah, wo nach Diderots Grundsätzen und Beyspielen die natürlichste Natürlichkeit auf der Bühne gefordert, und eine vollkom¬ mene Täuschung als das eigentliche Ziel der theatralischen Kunst angegeben wurde. Von einer solchen militärischen Polizeyanstalt war jedoch die Tragödie entbunden, und die Hel¬ den des Alterthums hatten das Recht sich selbst zu bewachen; die gedachten Grenadiere standen indeß nahe genug hinter den Cu¬ lissen.
im Innerſten der Familie vorging. Da, wie geſagt, zwiſchen den Acten der Vorhang nicht niedergelaſſen wurde; ſo loͤſten, bey ein¬ fallender Muſik, zwey andere dergeſtalt ab, daß ſie aus den Culiſſen ganz ſtrack vor jene hintraten, welche ſich dann eben ſo gemeſſent¬ lich zuruͤckzogen. Wenn nun eine ſolche An¬ ſtalt recht dazu geeignet war, alles was man beym Theater Illuſion nennt, aufzuheben; ſo faͤllt es um ſo mehr auf, daß dieſes zu einer Zeit geſchah, wo nach Diderots Grundſaͤtzen und Beyſpielen die natuͤrlichſte Natuͤrlichkeit auf der Buͤhne gefordert, und eine vollkom¬ mene Taͤuſchung als das eigentliche Ziel der theatraliſchen Kunſt angegeben wurde. Von einer ſolchen militaͤriſchen Polizeyanſtalt war jedoch die Tragoͤdie entbunden, und die Hel¬ den des Alterthums hatten das Recht ſich ſelbſt zu bewachen; die gedachten Grenadiere ſtanden indeß nahe genug hinter den Cu¬ liſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0229"n="213"/>
im Innerſten der Familie vorging. Da, wie<lb/>
geſagt, zwiſchen den Acten der Vorhang<lb/>
nicht niedergelaſſen wurde; ſo loͤſten, bey ein¬<lb/>
fallender Muſik, zwey andere dergeſtalt ab,<lb/>
daß ſie aus den Culiſſen ganz ſtrack vor jene<lb/>
hintraten, welche ſich dann eben ſo gemeſſent¬<lb/>
lich zuruͤckzogen. Wenn nun eine ſolche An¬<lb/>ſtalt recht dazu geeignet war, alles was man<lb/>
beym Theater Illuſion nennt, aufzuheben; ſo<lb/>
faͤllt es um ſo mehr auf, daß dieſes zu einer<lb/>
Zeit geſchah, wo nach Diderots Grundſaͤtzen<lb/>
und Beyſpielen die natuͤrlichſte Natuͤrlichkeit<lb/>
auf der Buͤhne gefordert, und eine vollkom¬<lb/>
mene Taͤuſchung als das eigentliche Ziel der<lb/>
theatraliſchen Kunſt angegeben wurde. Von<lb/>
einer ſolchen militaͤriſchen Polizeyanſtalt war<lb/>
jedoch die Tragoͤdie entbunden, und die Hel¬<lb/>
den des Alterthums hatten das Recht ſich<lb/>ſelbſt zu bewachen; die gedachten Grenadiere<lb/>ſtanden indeß nahe genug hinter den Cu¬<lb/>
liſſen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[213/0229]
im Innerſten der Familie vorging. Da, wie
geſagt, zwiſchen den Acten der Vorhang
nicht niedergelaſſen wurde; ſo loͤſten, bey ein¬
fallender Muſik, zwey andere dergeſtalt ab,
daß ſie aus den Culiſſen ganz ſtrack vor jene
hintraten, welche ſich dann eben ſo gemeſſent¬
lich zuruͤckzogen. Wenn nun eine ſolche An¬
ſtalt recht dazu geeignet war, alles was man
beym Theater Illuſion nennt, aufzuheben; ſo
faͤllt es um ſo mehr auf, daß dieſes zu einer
Zeit geſchah, wo nach Diderots Grundſaͤtzen
und Beyſpielen die natuͤrlichſte Natuͤrlichkeit
auf der Buͤhne gefordert, und eine vollkom¬
mene Taͤuſchung als das eigentliche Ziel der
theatraliſchen Kunſt angegeben wurde. Von
einer ſolchen militaͤriſchen Polizeyanſtalt war
jedoch die Tragoͤdie entbunden, und die Hel¬
den des Alterthums hatten das Recht ſich
ſelbſt zu bewachen; die gedachten Grenadiere
ſtanden indeß nahe genug hinter den Cu¬
liſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/229>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.