Die Theilnehmenden an diesem Geschäft wurden also höchst muthlos, besonders See¬ kaz, ein sehr hypochondrischer und in sich gezogner Mann, der zwar unter Freunden durch eine unvergleichlich heitre Laune sich als den besten Gesellschafter bewies, aber wenn er arbeitete, allein, in sich gekehrt und völlig frey wirken wollte. Dieser sollte nun, wenn er schwere Aufgaben gelöst, sie mit dem größten Fleiß und der wärmsten Liebe, deren er immer fähig war, vollendet hatte, zu wiederholten Malen von Darmstadt nach Frankfurt reisen, um entweder an seinen ei¬ genen Bildern etwas zu verändern, oder fremde zu staffiren, oder gar unter seinem Beystand durch einen Dritten seine Bilder ins Buntschäckige arbeiten zu lassen. Sein Mismuth nahm zu, sein Widerstand ent¬ schied sich, und es brauchte großer Bemühun¬ gen von unserer Seite, um diesen Gevat¬ ter -- denn auch er war's geworden -- nach des Grafen Wünschen zu lenken. Ich erin¬
Die Theilnehmenden an dieſem Geſchaͤft wurden alſo hoͤchſt muthlos, beſonders See¬ kaz, ein ſehr hypochondriſcher und in ſich gezogner Mann, der zwar unter Freunden durch eine unvergleichlich heitre Laune ſich als den beſten Geſellſchafter bewies, aber wenn er arbeitete, allein, in ſich gekehrt und voͤllig frey wirken wollte. Dieſer ſollte nun, wenn er ſchwere Aufgaben geloͤſt, ſie mit dem groͤßten Fleiß und der waͤrmſten Liebe, deren er immer faͤhig war, vollendet hatte, zu wiederholten Malen von Darmſtadt nach Frankfurt reiſen, um entweder an ſeinen ei¬ genen Bildern etwas zu veraͤndern, oder fremde zu ſtaffiren, oder gar unter ſeinem Beyſtand durch einen Dritten ſeine Bilder ins Buntſchaͤckige arbeiten zu laſſen. Sein Mismuth nahm zu, ſein Widerſtand ent¬ ſchied ſich, und es brauchte großer Bemuͤhun¬ gen von unſerer Seite, um dieſen Gevat¬ ter — denn auch er war's geworden — nach des Grafen Wuͤnſchen zu lenken. Ich erin¬
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0271"n="255"/><p>Die Theilnehmenden an dieſem Geſchaͤft<lb/>
wurden alſo hoͤchſt muthlos, beſonders See¬<lb/>
kaz, ein ſehr hypochondriſcher und in ſich<lb/>
gezogner Mann, der zwar unter Freunden<lb/>
durch eine unvergleichlich heitre Laune ſich<lb/>
als den beſten Geſellſchafter bewies, aber<lb/>
wenn er arbeitete, allein, in ſich gekehrt und<lb/>
voͤllig frey wirken wollte. Dieſer ſollte nun,<lb/>
wenn er ſchwere Aufgaben geloͤſt, ſie mit<lb/>
dem groͤßten Fleiß und der waͤrmſten Liebe,<lb/>
deren er immer faͤhig war, vollendet hatte,<lb/>
zu wiederholten Malen von Darmſtadt nach<lb/>
Frankfurt reiſen, um entweder an ſeinen ei¬<lb/>
genen Bildern etwas zu veraͤndern, oder<lb/>
fremde zu ſtaffiren, oder gar unter ſeinem<lb/>
Beyſtand durch einen Dritten ſeine Bilder<lb/>
ins Buntſchaͤckige arbeiten zu laſſen. Sein<lb/>
Mismuth nahm zu, ſein Widerſtand ent¬<lb/>ſchied ſich, und es brauchte großer Bemuͤhun¬<lb/>
gen von unſerer Seite, um dieſen Gevat¬<lb/>
ter — denn auch er war's geworden — nach<lb/>
des Grafen Wuͤnſchen zu lenken. Ich erin¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[255/0271]
Die Theilnehmenden an dieſem Geſchaͤft
wurden alſo hoͤchſt muthlos, beſonders See¬
kaz, ein ſehr hypochondriſcher und in ſich
gezogner Mann, der zwar unter Freunden
durch eine unvergleichlich heitre Laune ſich
als den beſten Geſellſchafter bewies, aber
wenn er arbeitete, allein, in ſich gekehrt und
voͤllig frey wirken wollte. Dieſer ſollte nun,
wenn er ſchwere Aufgaben geloͤſt, ſie mit
dem groͤßten Fleiß und der waͤrmſten Liebe,
deren er immer faͤhig war, vollendet hatte,
zu wiederholten Malen von Darmſtadt nach
Frankfurt reiſen, um entweder an ſeinen ei¬
genen Bildern etwas zu veraͤndern, oder
fremde zu ſtaffiren, oder gar unter ſeinem
Beyſtand durch einen Dritten ſeine Bilder
ins Buntſchaͤckige arbeiten zu laſſen. Sein
Mismuth nahm zu, ſein Widerſtand ent¬
ſchied ſich, und es brauchte großer Bemuͤhun¬
gen von unſerer Seite, um dieſen Gevat¬
ter — denn auch er war's geworden — nach
des Grafen Wuͤnſchen zu lenken. Ich erin¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/271>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.