Grundsatz, für lebende Meister zu sorgen, durch einen reicheren so fruchtbar befolgt zu sehen; wie sehr es ihn schmeicheln konnte, daß seine Sammlung Anlaß gegeben, einer Anzahl braver Künstler in bedrängter Zeit einen so ansehnlichen Erwerb zu verschaffen: so fühlte er doch eine solche Abneigung ge¬ gen den Fremden, der in sein Haus einge¬ drungen, daß ihm an dessen Handlungen nichts recht dünken konnte. Man solle Künst¬ ler beschäftigen, aber nicht zu Tapetenmalern erniedrigen; man solle mit dem was sie nach ihrer Ueberzeugung und Fähigkeit geleistet, wenn es einem auch nicht durchgängig behage, zufrieden seyn und nicht immer daran mark¬ ten und mäkeln: genug, es gab, ungeachtet des Grafen eigner liberalen Bemühung, ein für allemal kein Verhältniß. Mein Vater besuchte jenes Zimmer bloß, wenn sich der Graf bey Tafel befand, und ich erinnere mich nur ein einziges Mal, als Seekaz sich selbst übertroffen hatte, und das Verian¬
Grundſatz, fuͤr lebende Meiſter zu ſorgen, durch einen reicheren ſo fruchtbar befolgt zu ſehen; wie ſehr es ihn ſchmeicheln konnte, daß ſeine Sammlung Anlaß gegeben, einer Anzahl braver Kuͤnſtler in bedraͤngter Zeit einen ſo anſehnlichen Erwerb zu verſchaffen: ſo fuͤhlte er doch eine ſolche Abneigung ge¬ gen den Fremden, der in ſein Haus einge¬ drungen, daß ihm an deſſen Handlungen nichts recht duͤnken konnte. Man ſolle Kuͤnſt¬ ler beſchaͤftigen, aber nicht zu Tapetenmalern erniedrigen; man ſolle mit dem was ſie nach ihrer Ueberzeugung und Faͤhigkeit geleiſtet, wenn es einem auch nicht durchgaͤngig behage, zufrieden ſeyn und nicht immer daran mark¬ ten und maͤkeln: genug, es gab, ungeachtet des Grafen eigner liberalen Bemuͤhung, ein fuͤr allemal kein Verhaͤltniß. Mein Vater beſuchte jenes Zimmer bloß, wenn ſich der Graf bey Tafel befand, und ich erinnere mich nur ein einziges Mal, als Seekaz ſich ſelbſt uͤbertroffen hatte, und das Verian¬
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Grundſatz, fuͤr lebende Meiſter zu ſorgen,
durch einen reicheren ſo fruchtbar befolgt zu
ſehen; wie ſehr es ihn ſchmeicheln konnte,
daß ſeine Sammlung Anlaß gegeben, einer
Anzahl braver Kuͤnſtler in bedraͤngter Zeit
einen ſo anſehnlichen Erwerb zu verſchaffen:
ſo fuͤhlte er doch eine ſolche Abneigung ge¬
gen den Fremden, der in ſein Haus einge¬
drungen, daß ihm an deſſen Handlungen
nichts recht duͤnken konnte. Man ſolle Kuͤnſt¬
ler beſchaͤftigen, aber nicht zu Tapetenmalern
erniedrigen; man ſolle mit dem was ſie nach
ihrer Ueberzeugung und Faͤhigkeit geleiſtet,
wenn es einem auch nicht durchgaͤngig behage,
zufrieden ſeyn und nicht immer daran mark¬
ten und maͤkeln: genug, es gab, ungeachtet
des Grafen eigner liberalen Bemuͤhung, ein
fuͤr allemal kein Verhaͤltniß. Mein Vater
beſuchte jenes Zimmer bloß, wenn ſich der
Graf bey Tafel befand, und ich erinnere
mich nur ein einziges Mal, als Seekaz
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/274>, abgerufen am 24.11.2024.
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