Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

aufzuführen: denn man hielt dafür, daß eine
solche Uebung der Jugend besonders nützlich
sey. Wir gaben den Kanut von Schlegel,
worin mir die Rolle des Königs, meiner
Schwester die Elfride, und Ulfo dem jün¬
gern Sohn des Hauses zugetheilt wurde.
Sodann wagten wir uns an den Britanni¬
cus, denn wir sollten nebst dem Schauspieler¬
talent auch die Sprache zur Uebung bringen.
Ich erhielt den Nero, meine Schwester die
Agrippine, und der jüngere Sohn den Bri¬
tannicus. Wir wurden mehr gelobt als wir
verdienten, und glaubten es noch besser ge¬
macht zu haben, als wie wir gelobt wurden.
So stand ich mit dieser Familie in dem be¬
sten Verhältniß, und bin ihr manches Ver¬
gnügen und eine schnellere Entwicklung schul¬
dig geworden.

Von Reineck, aus einem altadligen
Hause, tüchtig, rechtschaffen, aber starrsinnig,
ein hagrer schwarzbrauner Mann, den ich

aufzufuͤhren: denn man hielt dafuͤr, daß eine
ſolche Uebung der Jugend beſonders nuͤtzlich
ſey. Wir gaben den Kanut von Schlegel,
worin mir die Rolle des Koͤnigs, meiner
Schweſter die Elfride, und Ulfo dem juͤn¬
gern Sohn des Hauſes zugetheilt wurde.
Sodann wagten wir uns an den Britanni¬
cus, denn wir ſollten nebſt dem Schauſpieler¬
talent auch die Sprache zur Uebung bringen.
Ich erhielt den Nero, meine Schweſter die
Agrippine, und der juͤngere Sohn den Bri¬
tannicus. Wir wurden mehr gelobt als wir
verdienten, und glaubten es noch beſſer ge¬
macht zu haben, als wie wir gelobt wurden.
So ſtand ich mit dieſer Familie in dem be¬
ſten Verhaͤltniß, und bin ihr manches Ver¬
gnuͤgen und eine ſchnellere Entwicklung ſchul¬
dig geworden.

Von Reineck, aus einem altadligen
Hauſe, tuͤchtig, rechtſchaffen, aber ſtarrſinnig,
ein hagrer ſchwarzbrauner Mann, den ich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="372"/>
aufzufu&#x0364;hren: denn man hielt dafu&#x0364;r, daß eine<lb/>
&#x017F;olche Uebung der Jugend be&#x017F;onders nu&#x0364;tzlich<lb/>
&#x017F;ey. Wir gaben den Kanut von <hi rendition="#g">Schlegel</hi>,<lb/>
worin mir die Rolle des Ko&#x0364;nigs, meiner<lb/>
Schwe&#x017F;ter die Elfride, und Ulfo dem ju&#x0364;<lb/>
gern Sohn des Hau&#x017F;es zugetheilt wurde.<lb/>
Sodann wagten wir uns an den Britanni¬<lb/>
cus, denn wir &#x017F;ollten neb&#x017F;t dem Schau&#x017F;pieler¬<lb/>
talent auch die Sprache zur Uebung bringen.<lb/>
Ich erhielt den Nero, meine Schwe&#x017F;ter die<lb/>
Agrippine, und der ju&#x0364;ngere Sohn den Bri¬<lb/>
tannicus. Wir wurden mehr gelobt als wir<lb/>
verdienten, und glaubten es noch be&#x017F;&#x017F;er ge¬<lb/>
macht zu haben, als wie wir gelobt wurden.<lb/>
So &#x017F;tand ich mit die&#x017F;er Familie in dem be¬<lb/>
&#x017F;ten Verha&#x0364;ltniß, und bin ihr manches Ver¬<lb/>
gnu&#x0364;gen und eine &#x017F;chnellere Entwicklung &#x017F;chul¬<lb/>
dig geworden.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Von Reineck</hi>, aus einem altadligen<lb/>
Hau&#x017F;e, tu&#x0364;chtig, recht&#x017F;chaffen, aber &#x017F;tarr&#x017F;innig,<lb/>
ein hagrer &#x017F;chwarzbrauner Mann, den ich<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0388] aufzufuͤhren: denn man hielt dafuͤr, daß eine ſolche Uebung der Jugend beſonders nuͤtzlich ſey. Wir gaben den Kanut von Schlegel, worin mir die Rolle des Koͤnigs, meiner Schweſter die Elfride, und Ulfo dem juͤn¬ gern Sohn des Hauſes zugetheilt wurde. Sodann wagten wir uns an den Britanni¬ cus, denn wir ſollten nebſt dem Schauſpieler¬ talent auch die Sprache zur Uebung bringen. Ich erhielt den Nero, meine Schweſter die Agrippine, und der juͤngere Sohn den Bri¬ tannicus. Wir wurden mehr gelobt als wir verdienten, und glaubten es noch beſſer ge¬ macht zu haben, als wie wir gelobt wurden. So ſtand ich mit dieſer Familie in dem be¬ ſten Verhaͤltniß, und bin ihr manches Ver¬ gnuͤgen und eine ſchnellere Entwicklung ſchul¬ dig geworden. Von Reineck, aus einem altadligen Hauſe, tuͤchtig, rechtſchaffen, aber ſtarrſinnig, ein hagrer ſchwarzbrauner Mann, den ich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/388
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/388>, abgerufen am 03.06.2024.