nigstens für eine Zeit lang in Verlegenheit und Noth brachten. Mein früheres gutes Verhältniß zu jenem Knaben, den ich oben Pylades genannt, hatte sich bis ins Jüng¬ lingsalter fortgesetzt. Zwar sahen wir uns seltner, weil unsre Aeltern nicht zum besten mit einander standen; wo wir uns aber tra¬ fen, sprang immer sogleich der alte freund¬ schaftliche Jubel hervor. Einst begegneten wir uns in den Alleen, die zwischen dem in¬ nern und äußern Sanct - Gallen - Thor einen sehr angenehmen Spazirgang darboten. Wir hatten uns kaum begrüßt, als er zu mir sagte: "Es geht mir mit deinen Versen noch immer wie sonst. Diejenigen die du mir neulich mittheiltest, habe ich einigen lustigen Gesellen vorgelesen, und keiner will glauben, daß du sie gemacht habest." -- Laß es gut seyn, versetzte ich; wir wollen sie machen, uns daran ergetzen, und die Andern mögen davon denken und sagen was sie wollen.
nigſtens fuͤr eine Zeit lang in Verlegenheit und Noth brachten. Mein fruͤheres gutes Verhaͤltniß zu jenem Knaben, den ich oben Pylades genannt, hatte ſich bis ins Juͤng¬ lingsalter fortgeſetzt. Zwar ſahen wir uns ſeltner, weil unſre Aeltern nicht zum beſten mit einander ſtanden; wo wir uns aber tra¬ fen, ſprang immer ſogleich der alte freund¬ ſchaftliche Jubel hervor. Einſt begegneten wir uns in den Alleen, die zwiſchen dem in¬ nern und aͤußern Sanct - Gallen - Thor einen ſehr angenehmen Spazirgang darboten. Wir hatten uns kaum begruͤßt, als er zu mir ſagte: „Es geht mir mit deinen Verſen noch immer wie ſonſt. Diejenigen die du mir neulich mittheilteſt, habe ich einigen luſtigen Geſellen vorgeleſen, und keiner will glauben, daß du ſie gemacht habeſt.“ — Laß es gut ſeyn, verſetzte ich; wir wollen ſie machen, uns daran ergetzen, und die Andern moͤgen davon denken und ſagen was ſie wollen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0404"n="388"/>
nigſtens fuͤr eine Zeit lang in Verlegenheit<lb/>
und Noth brachten. Mein fruͤheres gutes<lb/>
Verhaͤltniß zu jenem Knaben, den ich oben<lb/>
Pylades genannt, hatte ſich bis ins Juͤng¬<lb/>
lingsalter fortgeſetzt. Zwar ſahen wir uns<lb/>ſeltner, weil unſre Aeltern nicht zum beſten<lb/>
mit einander ſtanden; wo wir uns aber tra¬<lb/>
fen, ſprang immer ſogleich der alte freund¬<lb/>ſchaftliche Jubel hervor. Einſt begegneten<lb/>
wir uns in den Alleen, die zwiſchen dem in¬<lb/>
nern und aͤußern Sanct - Gallen - Thor einen<lb/>ſehr angenehmen Spazirgang darboten. Wir<lb/>
hatten uns kaum begruͤßt, als er zu mir<lb/>ſagte: „Es geht mir mit deinen Verſen noch<lb/>
immer wie ſonſt. Diejenigen die du mir<lb/>
neulich mittheilteſt, habe ich einigen luſtigen<lb/>
Geſellen vorgeleſen, und keiner will glauben,<lb/>
daß du ſie gemacht habeſt.“— Laß es gut<lb/>ſeyn, verſetzte ich; wir wollen ſie machen,<lb/>
uns daran ergetzen, und die Andern moͤgen<lb/>
davon denken und ſagen was ſie wollen.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[388/0404]
nigſtens fuͤr eine Zeit lang in Verlegenheit
und Noth brachten. Mein fruͤheres gutes
Verhaͤltniß zu jenem Knaben, den ich oben
Pylades genannt, hatte ſich bis ins Juͤng¬
lingsalter fortgeſetzt. Zwar ſahen wir uns
ſeltner, weil unſre Aeltern nicht zum beſten
mit einander ſtanden; wo wir uns aber tra¬
fen, ſprang immer ſogleich der alte freund¬
ſchaftliche Jubel hervor. Einſt begegneten
wir uns in den Alleen, die zwiſchen dem in¬
nern und aͤußern Sanct - Gallen - Thor einen
ſehr angenehmen Spazirgang darboten. Wir
hatten uns kaum begruͤßt, als er zu mir
ſagte: „Es geht mir mit deinen Verſen noch
immer wie ſonſt. Diejenigen die du mir
neulich mittheilteſt, habe ich einigen luſtigen
Geſellen vorgeleſen, und keiner will glauben,
daß du ſie gemacht habeſt.“ — Laß es gut
ſeyn, verſetzte ich; wir wollen ſie machen,
uns daran ergetzen, und die Andern moͤgen
davon denken und ſagen was ſie wollen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/404>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.