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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.

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chen pflegte, war es auch keine gute Zeit:
denn sie hatten so viel mit Einholen der
vornehmen Gäste, mit Becomplimentiren,
mit Ueberreichung von Geschenken zu thun.
Nicht weniger hatte der Magistrat im Gan¬
zen wie im Einzelnen sich immer zu wehren,
zu widerstehn und zu protestiren, weil bey
solchen Gelegenheiten ihm Jedermann etwas
abzwacken oder aufbürden will, und ihm we¬
nige von denen die er anspricht, beystehen
oder zu Hülfe kommen. Genug, mir trat
alles nunmehr lebhaft vor Augen, was ich
in der Lersnerschen Chronik von ähnlichen
Vorfällen bey ähnlichen Gelegenheiten, mit
Bewunderung der Geduld und Ausdauer je¬
ner guten Rathsmänner, gelesen hatte.

Mancher Verdruß entspringt auch daher,
daß sich die Stadt nach und nach mit nöthi¬
gen und unnöthigen Personen anfüllt. Ver¬
gebens werden die Höfe von Seiten der
Stadt an die Vorschriften der freylich veral¬

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chen pflegte, war es auch keine gute Zeit:
denn ſie hatten ſo viel mit Einholen der
vornehmen Gaͤſte, mit Becomplimentiren,
mit Ueberreichung von Geſchenken zu thun.
Nicht weniger hatte der Magiſtrat im Gan¬
zen wie im Einzelnen ſich immer zu wehren,
zu widerſtehn und zu proteſtiren, weil bey
ſolchen Gelegenheiten ihm Jedermann etwas
abzwacken oder aufbuͤrden will, und ihm we¬
nige von denen die er anſpricht, beyſtehen
oder zu Huͤlfe kommen. Genug, mir trat
alles nunmehr lebhaft vor Augen, was ich
in der Lersnerſchen Chronik von aͤhnlichen
Vorfaͤllen bey aͤhnlichen Gelegenheiten, mit
Bewunderung der Geduld und Ausdauer je¬
ner guten Rathsmaͤnner, geleſen hatte.

Mancher Verdruß entſpringt auch daher,
daß ſich die Stadt nach und nach mit noͤthi¬
gen und unnoͤthigen Perſonen anfuͤllt. Ver¬
gebens werden die Hoͤfe von Seiten der
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[435/0451] chen pflegte, war es auch keine gute Zeit: denn ſie hatten ſo viel mit Einholen der vornehmen Gaͤſte, mit Becomplimentiren, mit Ueberreichung von Geſchenken zu thun. Nicht weniger hatte der Magiſtrat im Gan¬ zen wie im Einzelnen ſich immer zu wehren, zu widerſtehn und zu proteſtiren, weil bey ſolchen Gelegenheiten ihm Jedermann etwas abzwacken oder aufbuͤrden will, und ihm we¬ nige von denen die er anſpricht, beyſtehen oder zu Huͤlfe kommen. Genug, mir trat alles nunmehr lebhaft vor Augen, was ich in der Lersnerſchen Chronik von aͤhnlichen Vorfaͤllen bey aͤhnlichen Gelegenheiten, mit Bewunderung der Geduld und Ausdauer je¬ ner guten Rathsmaͤnner, geleſen hatte. Mancher Verdruß entſpringt auch daher, daß ſich die Stadt nach und nach mit noͤthi¬ gen und unnoͤthigen Perſonen anfuͤllt. Ver¬ gebens werden die Hoͤfe von Seiten der Stadt an die Vorſchriften der freylich veral¬ 28 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/451>, abgerufen am 24.11.2024.