kommen gegenwärtig hatte. -- Wir schieden zu rechter Zeit und mit sonderlichem Wohlbe¬ hagen.
Denn einem jungen Paare, das von der Natur einigermaßen harmonisch gebildet ist, kann nichts zu einer schönern Vereinigung ge¬ reichen, als wenn das Mädchen lehrbegierig und der Jüngling lehrhaft ist. Es entsteht daraus ein so gründliches als angenehmes Ver¬ hältniß. Sie erblickt in ihm den Schöpfer ih¬ res geistigen Daseyns, und er in ihr ein Ge¬ schöpf, das nicht der Natur, dem Zufall, oder einem einseitigen Wollen, sondern einem bey¬ derseitigen Willen seine Vollendung verdankt; und diese Wechselwirkung ist so süß, daß wir uns nicht wundern dürfen, wenn seit dem alten und neuen Abelard, aus einem solchen Zusammentreffen zweyer Wesen, die ge¬ waltsamsten Leidenschaften und so viel Glück als Unglück entsprungen sind.
kommen gegenwaͤrtig hatte. — Wir ſchieden zu rechter Zeit und mit ſonderlichem Wohlbe¬ hagen.
Denn einem jungen Paare, das von der Natur einigermaßen harmoniſch gebildet iſt, kann nichts zu einer ſchoͤnern Vereinigung ge¬ reichen, als wenn das Maͤdchen lehrbegierig und der Juͤngling lehrhaft iſt. Es entſteht daraus ein ſo gruͤndliches als angenehmes Ver¬ haͤltniß. Sie erblickt in ihm den Schoͤpfer ih¬ res geiſtigen Daſeyns, und er in ihr ein Ge¬ ſchoͤpf, das nicht der Natur, dem Zufall, oder einem einſeitigen Wollen, ſondern einem bey¬ derſeitigen Willen ſeine Vollendung verdankt; und dieſe Wechſelwirkung iſt ſo ſuͤß, daß wir uns nicht wundern duͤrfen, wenn ſeit dem alten und neuen Abelard, aus einem ſolchen Zuſammentreffen zweyer Weſen, die ge¬ waltſamſten Leidenſchaften und ſo viel Gluͤck als Ungluͤck entſprungen ſind.
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kommen gegenwaͤrtig hatte. — Wir ſchieden
zu rechter Zeit und mit ſonderlichem Wohlbe¬
hagen.
Denn einem jungen Paare, das von der
Natur einigermaßen harmoniſch gebildet iſt,
kann nichts zu einer ſchoͤnern Vereinigung ge¬
reichen, als wenn das Maͤdchen lehrbegierig
und der Juͤngling lehrhaft iſt. Es entſteht
daraus ein ſo gruͤndliches als angenehmes Ver¬
haͤltniß. Sie erblickt in ihm den Schoͤpfer ih¬
res geiſtigen Daſeyns, und er in ihr ein Ge¬
ſchoͤpf, das nicht der Natur, dem Zufall, oder
einem einſeitigen Wollen, ſondern einem bey¬
derſeitigen Willen ſeine Vollendung verdankt;
und dieſe Wechſelwirkung iſt ſo ſuͤß, daß
wir uns nicht wundern duͤrfen, wenn ſeit
dem alten und neuen Abelard, aus einem
ſolchen Zuſammentreffen zweyer Weſen, die ge¬
waltſamſten Leidenſchaften und ſo viel Gluͤck
als Ungluͤck entſprungen ſind.
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/461>, abgerufen am 24.11.2024.
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