ter, der nicht diese beyden Ereignisse und was sie begleitete, für den Gipfel seines Lebens gehalten hätte. So prächtig die Krönung Carls des siebenten gewesen war, bey welcher besonders der französische Gesandte, mit Ko¬ sten und Geschmack, herrliche Feste gegeben; so war doch die Folge für den guten Kaiser desto trauriger, der seine Residenz München nicht behaupten konnte und gewissermaßen die Gast¬ freyheit seiner Reichsstädter anflehen mußte.
War die Krönung Franz des ersten nicht so auffallend prächtig wie jene, so wurde sie doch durch die Gegenwart der Kaiserinn Ma¬ ria Theresia verherrlicht, deren Schönheit eben so einen großen Eindruck auf die Männer scheint gemacht zu haben, als die ernste wür¬ dige Gestalt und die blauen Augen Carls des siebenten auf die Frauen. Wenigstens wettei¬ ferten beyde Geschlechter, dem aufhorchenden Knaben einen höchst vortheilhaften Begriff von jenen beyden Personen beyzubringen. Alle
ter, der nicht dieſe beyden Ereigniſſe und was ſie begleitete, fuͤr den Gipfel ſeines Lebens gehalten haͤtte. So praͤchtig die Kroͤnung Carls des ſiebenten geweſen war, bey welcher beſonders der franzoͤſiſche Geſandte, mit Ko¬ ſten und Geſchmack, herrliche Feſte gegeben; ſo war doch die Folge fuͤr den guten Kaiſer deſto trauriger, der ſeine Reſidenz Muͤnchen nicht behaupten konnte und gewiſſermaßen die Gaſt¬ freyheit ſeiner Reichsſtaͤdter anflehen mußte.
War die Kroͤnung Franz des erſten nicht ſo auffallend praͤchtig wie jene, ſo wurde ſie doch durch die Gegenwart der Kaiſerinn Ma¬ ria Thereſia verherrlicht, deren Schoͤnheit eben ſo einen großen Eindruck auf die Maͤnner ſcheint gemacht zu haben, als die ernſte wuͤr¬ dige Geſtalt und die blauen Augen Carls des ſiebenten auf die Frauen. Wenigſtens wettei¬ ferten beyde Geſchlechter, dem aufhorchenden Knaben einen hoͤchſt vortheilhaften Begriff von jenen beyden Perſonen beyzubringen. Alle
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ſie begleitete, fuͤr den Gipfel ſeines Lebens
gehalten haͤtte. So praͤchtig die Kroͤnung
Carls des ſiebenten geweſen war, bey welcher
beſonders der franzoͤſiſche Geſandte, mit Ko¬
ſten und Geſchmack, herrliche Feſte gegeben; ſo
war doch die Folge fuͤr den guten Kaiſer deſto
trauriger, der ſeine Reſidenz Muͤnchen nicht
behaupten konnte und gewiſſermaßen die Gaſt¬
freyheit ſeiner Reichsſtaͤdter anflehen mußte.
War die Kroͤnung Franz des erſten nicht
ſo auffallend praͤchtig wie jene, ſo wurde ſie
doch durch die Gegenwart der Kaiſerinn Ma¬
ria Thereſia verherrlicht, deren Schoͤnheit eben
ſo einen großen Eindruck auf die Maͤnner
ſcheint gemacht zu haben, als die ernſte wuͤr¬
dige Geſtalt und die blauen Augen Carls des
ſiebenten auf die Frauen. Wenigſtens wettei¬
ferten beyde Geſchlechter, dem aufhorchenden
Knaben einen hoͤchſt vortheilhaften Begriff
von jenen beyden Perſonen beyzubringen. Alle
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/47>, abgerufen am 30.04.2024.
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