Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811.In diesen Tagen kam ich nicht zu mir In dieſen Tagen kam ich nicht zu mir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0482" n="466"/> <p>In dieſen Tagen kam ich nicht zu mir<lb/> ſelbſt. Zu Hauſe gab es zu ſchreiben und zu<lb/> copiren; ſehen wollte und ſollte man alles, und<lb/> ſo ging der Maͤrz zu Ende, deſſen zweyte<lb/> Haͤlfte fuͤr uns ſo feſtreich geweſen war. Von<lb/> dem was zuletzt vorgegangen und was am<lb/> Kroͤnungstag zu erwarten ſey, hatte ich<lb/> Gretchen eine treuliche und ausfuͤhrliche Be¬<lb/> lehrung verſprochen. Der große Tag nahte<lb/> heran; ich hatte mehr im Sinne, wie ich es<lb/> ihr ſagen wollte, als was eigentlich zu ſagen<lb/> ſey; ich verarbeitete alles was mir unter die<lb/> Augen und unter die Canzleyfeder kam, nur<lb/> geſchwind zu dieſem naͤchſten und einzigen Ge¬<lb/> brauch. Endlich erreichte ich noch eines Abends<lb/> ziemlich ſpaͤt ihre Wohnung, und that mir<lb/> ſchon im voraus nicht wenig darauf zu Gute,<lb/> wie mein dießmaliger Vortrag noch viel beſ¬<lb/> ſer als der erſte unvorbereitete gelingen ſollte.<lb/> Allein gar oft bringt uns ſelbſt, und andern<lb/> durch uns, ein augenblicklicher Anlaß mehr<lb/> Freude als der entſchiedenſte Vorſatz nicht ge¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [466/0482]
In dieſen Tagen kam ich nicht zu mir
ſelbſt. Zu Hauſe gab es zu ſchreiben und zu
copiren; ſehen wollte und ſollte man alles, und
ſo ging der Maͤrz zu Ende, deſſen zweyte
Haͤlfte fuͤr uns ſo feſtreich geweſen war. Von
dem was zuletzt vorgegangen und was am
Kroͤnungstag zu erwarten ſey, hatte ich
Gretchen eine treuliche und ausfuͤhrliche Be¬
lehrung verſprochen. Der große Tag nahte
heran; ich hatte mehr im Sinne, wie ich es
ihr ſagen wollte, als was eigentlich zu ſagen
ſey; ich verarbeitete alles was mir unter die
Augen und unter die Canzleyfeder kam, nur
geſchwind zu dieſem naͤchſten und einzigen Ge¬
brauch. Endlich erreichte ich noch eines Abends
ziemlich ſpaͤt ihre Wohnung, und that mir
ſchon im voraus nicht wenig darauf zu Gute,
wie mein dießmaliger Vortrag noch viel beſ¬
ſer als der erſte unvorbereitete gelingen ſollte.
Allein gar oft bringt uns ſelbſt, und andern
durch uns, ein augenblicklicher Anlaß mehr
Freude als der entſchiedenſte Vorſatz nicht ge¬
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