schuh oder einen alten Räder-Albus zu erhaschen. Man konnte sich diese symbolischen, das Alter¬ thum gleichsam hervorzaubernden Ceremonien nicht erklären lassen, ohne in vergangene Jahr¬ hunderte wieder zurückgeführt zu werden, ohne sich nach Sitten, Gebräuchen und Gesinnungen unserer Altvordern zu erkundigen, die sich durch wieder auferstandene Pfeifer und Abgeordnete, ja durch handgreifliche und für uns besitzbare Gaben, auf eine so wunderliche Weise verge¬ genwärtigten.
Solchen altehrwürdigen Feyerlichkeiten folg¬ te in guter Jahrszeit manches für uns Kin¬ der lustreichere Fest außerhalb der Stadt unter freyem Himmel. An dem rechten Ufer des Mains unterwärts, etwa eine halbe Stunde vom Thor, quillt ein Schwefelbrunnen, sau¬ ber eingefaßt und mit uralten Linden umgeben. Nicht weit davon steht der Hof zu den guten Leuten, ehmals ein um dieser Quelle willen erbautes Hospital. Auf den Ge¬
ſchuh oder einen alten Raͤder-Albus zu erhaſchen. Man konnte ſich dieſe ſymboliſchen, das Alter¬ thum gleichſam hervorzaubernden Ceremonien nicht erklaͤren laſſen, ohne in vergangene Jahr¬ hunderte wieder zuruͤckgefuͤhrt zu werden, ohne ſich nach Sitten, Gebraͤuchen und Geſinnungen unſerer Altvordern zu erkundigen, die ſich durch wieder auferſtandene Pfeifer und Abgeordnete, ja durch handgreifliche und fuͤr uns beſitzbare Gaben, auf eine ſo wunderliche Weiſe verge¬ genwaͤrtigten.
Solchen altehrwuͤrdigen Feyerlichkeiten folg¬ te in guter Jahrszeit manches fuͤr uns Kin¬ der luſtreichere Feſt außerhalb der Stadt unter freyem Himmel. An dem rechten Ufer des Mains unterwaͤrts, etwa eine halbe Stunde vom Thor, quillt ein Schwefelbrunnen, ſau¬ ber eingefaßt und mit uralten Linden umgeben. Nicht weit davon ſteht der Hof zu den guten Leuten, ehmals ein um dieſer Quelle willen erbautes Hoſpital. Auf den Ge¬
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ſchuh oder einen alten Raͤder-Albus zu erhaſchen.
Man konnte ſich dieſe ſymboliſchen, das Alter¬
thum gleichſam hervorzaubernden Ceremonien
nicht erklaͤren laſſen, ohne in vergangene Jahr¬
hunderte wieder zuruͤckgefuͤhrt zu werden, ohne
ſich nach Sitten, Gebraͤuchen und Geſinnungen
unſerer Altvordern zu erkundigen, die ſich durch
wieder auferſtandene Pfeifer und Abgeordnete,
ja durch handgreifliche und fuͤr uns beſitzbare
Gaben, auf eine ſo wunderliche Weiſe verge¬
genwaͤrtigten.
Solchen altehrwuͤrdigen Feyerlichkeiten folg¬
te in guter Jahrszeit manches fuͤr uns Kin¬
der luſtreichere Feſt außerhalb der Stadt unter
freyem Himmel. An dem rechten Ufer des
Mains unterwaͤrts, etwa eine halbe Stunde
vom Thor, quillt ein Schwefelbrunnen, ſau¬
ber eingefaßt und mit uralten Linden umgeben.
Nicht weit davon ſteht der Hof zu den
guten Leuten, ehmals ein um dieſer Quelle
willen erbautes Hoſpital. Auf den Ge¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 1. Tübingen, 1811, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben01_1811/58>, abgerufen am 24.11.2024.
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