straße und Billigkeit gegen alle Meynungen für das Rechte hielt, verschaffte solchen Schrif¬ ten und mündlichen Aeußerungen Ansehen und Zutrauen, und so fanden sich zuletzt Philoso¬ phen in allen Facultäten, ja in allen Stän¬ den und Hanthierungen.
Auf diesem Wege mußten die Theologen sich zu der sogenannten natürlichen Religion hin¬ neigen, und wenn zur Sprache kam, in wie¬ fern das Licht der Natur uns in der Erkenntniß Gottes, der Verbesserung und Veredlung un¬ serer selbst zu fördern hinreichend sey, so wagte man gewöhnlich sich zu dessen Gunsten ohne viel Bedenken zu entscheiden. Aus jenem Mäßigkeitsprincip gab man sodann sämmtli¬ chen positiven Religionen gleiche Rechte, wo¬ durch denn eine mit der andern gleichgültig und unsicher wurde. Uebrigens ließ man denn doch aber alles bestehen, und weil die Bibel so voller Gehalt ist, daß sie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und
ſtraße und Billigkeit gegen alle Meynungen fuͤr das Rechte hielt, verſchaffte ſolchen Schrif¬ ten und muͤndlichen Aeußerungen Anſehen und Zutrauen, und ſo fanden ſich zuletzt Philoſo¬ phen in allen Facultaͤten, ja in allen Staͤn¬ den und Hanthierungen.
Auf dieſem Wege mußten die Theologen ſich zu der ſogenannten natuͤrlichen Religion hin¬ neigen, und wenn zur Sprache kam, in wie¬ fern das Licht der Natur uns in der Erkenntniß Gottes, der Verbeſſerung und Veredlung un¬ ſerer ſelbſt zu foͤrdern hinreichend ſey, ſo wagte man gewoͤhnlich ſich zu deſſen Gunſten ohne viel Bedenken zu entſcheiden. Aus jenem Maͤßigkeitsprincip gab man ſodann ſaͤmmtli¬ chen poſitiven Religionen gleiche Rechte, wo¬ durch denn eine mit der andern gleichguͤltig und unſicher wurde. Uebrigens ließ man denn doch aber alles beſtehen, und weil die Bibel ſo voller Gehalt iſt, daß ſie mehr als jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und
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ſtraße und Billigkeit gegen alle Meynungen
fuͤr das Rechte hielt, verſchaffte ſolchen Schrif¬
ten und muͤndlichen Aeußerungen Anſehen und
Zutrauen, und ſo fanden ſich zuletzt Philoſo¬
phen in allen Facultaͤten, ja in allen Staͤn¬
den und Hanthierungen.
Auf dieſem Wege mußten die Theologen
ſich zu der ſogenannten natuͤrlichen Religion hin¬
neigen, und wenn zur Sprache kam, in wie¬
fern das Licht der Natur uns in der Erkenntniß
Gottes, der Verbeſſerung und Veredlung un¬
ſerer ſelbſt zu foͤrdern hinreichend ſey, ſo wagte
man gewoͤhnlich ſich zu deſſen Gunſten ohne
viel Bedenken zu entſcheiden. Aus jenem
Maͤßigkeitsprincip gab man ſodann ſaͤmmtli¬
chen poſitiven Religionen gleiche Rechte, wo¬
durch denn eine mit der andern gleichguͤltig
und unſicher wurde. Uebrigens ließ man
denn doch aber alles beſtehen, und weil die
Bibel ſo voller Gehalt iſt, daß ſie mehr als
jedes andere Buch Stoff zum Nachdenken und
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/152>, abgerufen am 12.05.2024.
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