daß die Beurtheilungen von Gedichten und was sich sonst auf schöne Litteratur beziehen mag, wo nicht erbärmlich, doch wenigstens sehr schwach befunden werden. Dieses gilt sogar von den Litteraturbriefen und von der allgemeinen deutschen Bibliothek, wie von der Bibliothek der schönen Wissenschaften, wovon man gar leicht bedeutende Beyspiele anführen könnte.
Dieses alles mochte jedoch so bunt durch einander gehen als es wollte, so blieb einem Jeden, der etwas aus sich zu produciren ge¬ dachte, der nicht seinen Vorgängern die Wor¬ te und Phrasen nur aus dem Munde neh¬ men wollte, nichts weiter übrig, als sich früh und spät nach einem Stoffe umzusehen, den er zu benutzen gedächte. Auch hier wur¬ den wir sehr in der Irre herumgeführt. Man trug sich mit einem Worte von Kleist, das wir oft genug hören mußten. Er hatte nämlich gegen diejenigen, welche ihn wegen
daß die Beurtheilungen von Gedichten und was ſich ſonſt auf ſchoͤne Litteratur beziehen mag, wo nicht erbaͤrmlich, doch wenigſtens ſehr ſchwach befunden werden. Dieſes gilt ſogar von den Litteraturbriefen und von der allgemeinen deutſchen Bibliothek, wie von der Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, wovon man gar leicht bedeutende Beyſpiele anfuͤhren koͤnnte.
Dieſes alles mochte jedoch ſo bunt durch einander gehen als es wollte, ſo blieb einem Jeden, der etwas aus ſich zu produciren ge¬ dachte, der nicht ſeinen Vorgaͤngern die Wor¬ te und Phraſen nur aus dem Munde neh¬ men wollte, nichts weiter uͤbrig, als ſich fruͤh und ſpaͤt nach einem Stoffe umzuſehen, den er zu benutzen gedaͤchte. Auch hier wur¬ den wir ſehr in der Irre herumgefuͤhrt. Man trug ſich mit einem Worte von Kleist, das wir oft genug hoͤren mußten. Er hatte naͤmlich gegen diejenigen, welche ihn wegen
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daß die Beurtheilungen von Gedichten und
was ſich ſonſt auf ſchoͤne Litteratur beziehen
mag, wo nicht erbaͤrmlich, doch wenigſtens
ſehr ſchwach befunden werden. Dieſes gilt
ſogar von den Litteraturbriefen und von der
allgemeinen deutſchen Bibliothek, wie von der
Bibliothek der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, wovon
man gar leicht bedeutende Beyſpiele anfuͤhren
koͤnnte.
Dieſes alles mochte jedoch ſo bunt durch
einander gehen als es wollte, ſo blieb einem
Jeden, der etwas aus ſich zu produciren ge¬
dachte, der nicht ſeinen Vorgaͤngern die Wor¬
te und Phraſen nur aus dem Munde neh¬
men wollte, nichts weiter uͤbrig, als ſich
fruͤh und ſpaͤt nach einem Stoffe umzuſehen,
den er zu benutzen gedaͤchte. Auch hier wur¬
den wir ſehr in der Irre herumgefuͤhrt.
Man trug ſich mit einem Worte von Kleist,
das wir oft genug hoͤren mußten. Er hatte
naͤmlich gegen diejenigen, welche ihn wegen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/161>, abgerufen am 21.11.2024.
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