jedoch klar machen zu können, wo jenes zu suchen und wie dieses zu erreichen sey. Denn bey der großen Beschränktheit meines Zustandes, bey der Gleichgültigkeit der Gesellen, dem Zu¬ rückhalten der Lehrer, der Abgesondertheit ge¬ bildeter Einwohner, bey ganz unbedeutenden Naturgegenständen war ich genöthigt, alles in mir selbst zu suchen. Verlangte ich nun zu mei¬ nen Gedichten eine wahre Unterlage, Empfin¬ dung oder Reflexion, so mußte ich in meinen Busen greifen; forderte ich zu poetischer Dar¬ stellung eine unmittelbare Anschauung des Ge¬ genstandes, der Begebenheit, so durfte ich nicht aus dem Kreise heraustreten, der mich zu berühren, mir ein Interesse einzuflößen geeig¬ net war. In diesem Sinne schrieb ich zuerst gewisse kleine Gedichte in Liederform oder frey¬ erem Sylbenmaß; sie entspringen aus Refle¬ xion, handeln vom Vergangenen und nehmen meist eine epigrammatische Wendung.
jedoch klar machen zu koͤnnen, wo jenes zu ſuchen und wie dieſes zu erreichen ſey. Denn bey der großen Beſchraͤnktheit meines Zuſtandes, bey der Gleichguͤltigkeit der Geſellen, dem Zu¬ ruͤckhalten der Lehrer, der Abgeſondertheit ge¬ bildeter Einwohner, bey ganz unbedeutenden Naturgegenſtaͤnden war ich genoͤthigt, alles in mir ſelbſt zu ſuchen. Verlangte ich nun zu mei¬ nen Gedichten eine wahre Unterlage, Empfin¬ dung oder Reflexion, ſo mußte ich in meinen Buſen greifen; forderte ich zu poetiſcher Dar¬ ſtellung eine unmittelbare Anſchauung des Ge¬ genſtandes, der Begebenheit, ſo durfte ich nicht aus dem Kreiſe heraustreten, der mich zu beruͤhren, mir ein Intereſſe einzufloͤßen geeig¬ net war. In dieſem Sinne ſchrieb ich zuerſt gewiſſe kleine Gedichte in Liederform oder frey¬ erem Sylbenmaß; ſie entſpringen aus Refle¬ xion, handeln vom Vergangenen und nehmen meiſt eine epigrammatiſche Wendung.
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jedoch klar machen zu koͤnnen, wo jenes zu
ſuchen und wie dieſes zu erreichen ſey. Denn
bey der großen Beſchraͤnktheit meines Zuſtandes,
bey der Gleichguͤltigkeit der Geſellen, dem Zu¬
ruͤckhalten der Lehrer, der Abgeſondertheit ge¬
bildeter Einwohner, bey ganz unbedeutenden
Naturgegenſtaͤnden war ich genoͤthigt, alles in
mir ſelbſt zu ſuchen. Verlangte ich nun zu mei¬
nen Gedichten eine wahre Unterlage, Empfin¬
dung oder Reflexion, ſo mußte ich in meinen
Buſen greifen; forderte ich zu poetiſcher Dar¬
ſtellung eine unmittelbare Anſchauung des Ge¬
genſtandes, der Begebenheit, ſo durfte ich
nicht aus dem Kreiſe heraustreten, der mich zu
beruͤhren, mir ein Intereſſe einzufloͤßen geeig¬
net war. In dieſem Sinne ſchrieb ich zuerſt
gewiſſe kleine Gedichte in Liederform oder frey¬
erem Sylbenmaß; ſie entſpringen aus Refle¬
xion, handeln vom Vergangenen und nehmen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/173>, abgerufen am 21.11.2024.
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