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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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len, die uns verleitet, aus der Quälerey der
Geliebten eine Unterhaltung zu schaffen und
die Ergebenheit eines Mädchens mit willkühr¬
lichen und tyrannischen Grillen zu beherrschen.
Die böse Laune über das Mislingen meiner poe¬
tischen Versuche, über die anscheinende Unmög¬
lichkeit hierüber ins Klare zu kommen, und
über alles was mich hie und da sonst kneipen
mochte, glaubte ich an ihr auslassen zu dürfen,
weil sie mich wirklich von Herzen liebte und was
sie nur immer konnte, mir zu Gefallen that.
Durch ungegründete und abgeschmackte Eifer¬
süchteleyen verdarb ich mir und ihr die schönsten
Tage. Sie ertrug es eine Zeit lang mit un¬
glaublicher Geduld, die ich grausam genug war
aufs Aeußerste zu treiben. Allein zu meiner
Beschämung und Verzweiflung mußte ich end¬
lich bemerken, daß sich ihr Gemüth von mir
entfernt habe, und daß ich nun wohl zu den
Tollheiten berechtigt seyn möchte, die ich mir
ohne Noth und Ursache erlaubt hatte. Es gab
auch schreckliche Scenen unter uns, bey welchen

len, die uns verleitet, aus der Quaͤlerey der
Geliebten eine Unterhaltung zu ſchaffen und
die Ergebenheit eines Maͤdchens mit willkuͤhr¬
lichen und tyranniſchen Grillen zu beherrſchen.
Die boͤſe Laune uͤber das Mislingen meiner poe¬
tiſchen Verſuche, uͤber die anſcheinende Unmoͤg¬
lichkeit hieruͤber ins Klare zu kommen, und
uͤber alles was mich hie und da ſonſt kneipen
mochte, glaubte ich an ihr auslaſſen zu duͤrfen,
weil ſie mich wirklich von Herzen liebte und was
ſie nur immer konnte, mir zu Gefallen that.
Durch ungegruͤndete und abgeſchmackte Eifer¬
ſuͤchteleyen verdarb ich mir und ihr die ſchoͤnſten
Tage. Sie ertrug es eine Zeit lang mit un¬
glaublicher Geduld, die ich grauſam genug war
aufs Aeußerſte zu treiben. Allein zu meiner
Beſchaͤmung und Verzweiflung mußte ich end¬
lich bemerken, daß ſich ihr Gemuͤth von mir
entfernt habe, und daß ich nun wohl zu den
Tollheiten berechtigt ſeyn moͤchte, die ich mir
ohne Noth und Urſache erlaubt hatte. Es gab
auch ſchreckliche Scenen unter uns, bey welchen

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[168/0176] len, die uns verleitet, aus der Quaͤlerey der Geliebten eine Unterhaltung zu ſchaffen und die Ergebenheit eines Maͤdchens mit willkuͤhr¬ lichen und tyranniſchen Grillen zu beherrſchen. Die boͤſe Laune uͤber das Mislingen meiner poe¬ tiſchen Verſuche, uͤber die anſcheinende Unmoͤg¬ lichkeit hieruͤber ins Klare zu kommen, und uͤber alles was mich hie und da ſonſt kneipen mochte, glaubte ich an ihr auslaſſen zu duͤrfen, weil ſie mich wirklich von Herzen liebte und was ſie nur immer konnte, mir zu Gefallen that. Durch ungegruͤndete und abgeſchmackte Eifer¬ ſuͤchteleyen verdarb ich mir und ihr die ſchoͤnſten Tage. Sie ertrug es eine Zeit lang mit un¬ glaublicher Geduld, die ich grauſam genug war aufs Aeußerſte zu treiben. Allein zu meiner Beſchaͤmung und Verzweiflung mußte ich end¬ lich bemerken, daß ſich ihr Gemuͤth von mir entfernt habe, und daß ich nun wohl zu den Tollheiten berechtigt ſeyn moͤchte, die ich mir ohne Noth und Urſache erlaubt hatte. Es gab auch ſchreckliche Scenen unter uns, bey welchen

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/176>, abgerufen am 24.11.2024.