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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Kleidungsart, hatte, bey einer gewissen Derb¬
heit, etwas Zartes. Eine Haarbeutel-Pe¬
rücke entstellte nicht sein bedeutendes und ge¬
fälliges Gesicht. Seine Stimme war sanft,
ohne weich und schwach zu seyn, ja sie wur¬
de wohltönend und stark, sobald er in Eifer
gerieth, welches sehr leicht geschah. Wenn
man ihn näher kennen lernte, so fand man
an ihm einen gesunden Menschenverstand, der
auf dem Gemüth ruhte, und sich deswegen
von Neigungen und Leidenschaften bestimmen
ließ, und aus eben diesem Gemüth entsprang
ein Enthusiasmus für das Gute, Wahre,
Rechte in möglichster Reinheit. Denn der
Lebensgang dieses Mannes war sehr einfach
gewesen und doch gedrängt an Begebenheiten
und mannigfaltiger Thätigkeit. Das Element
seiner Energie war ein unverwüstlicher Glaube
an Gott und an eine unmittelbar von daher
fließende Hülfe, die sich in einer ununterbro¬
chenen Vorsorge und in einer unfehlbaren
Rettung aus aller Noth, von jedem Uebel

Kleidungsart, hatte, bey einer gewiſſen Derb¬
heit, etwas Zartes. Eine Haarbeutel-Pe¬
ruͤcke entſtellte nicht ſein bedeutendes und ge¬
faͤlliges Geſicht. Seine Stimme war ſanft,
ohne weich und ſchwach zu ſeyn, ja ſie wur¬
de wohltoͤnend und ſtark, ſobald er in Eifer
gerieth, welches ſehr leicht geſchah. Wenn
man ihn naͤher kennen lernte, ſo fand man
an ihm einen geſunden Menſchenverſtand, der
auf dem Gemuͤth ruhte, und ſich deswegen
von Neigungen und Leidenſchaften beſtimmen
ließ, und aus eben dieſem Gemuͤth entſprang
ein Enthuſiasmus fuͤr das Gute, Wahre,
Rechte in moͤglichſter Reinheit. Denn der
Lebensgang dieſes Mannes war ſehr einfach
geweſen und doch gedraͤngt an Begebenheiten
und mannigfaltiger Thaͤtigkeit. Das Element
ſeiner Energie war ein unverwuͤſtlicher Glaube
an Gott und an eine unmittelbar von daher
fließende Huͤlfe, die ſich in einer ununterbro¬
chenen Vorſorge und in einer unfehlbaren
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[379/0387] Kleidungsart, hatte, bey einer gewiſſen Derb¬ heit, etwas Zartes. Eine Haarbeutel-Pe¬ ruͤcke entſtellte nicht ſein bedeutendes und ge¬ faͤlliges Geſicht. Seine Stimme war ſanft, ohne weich und ſchwach zu ſeyn, ja ſie wur¬ de wohltoͤnend und ſtark, ſobald er in Eifer gerieth, welches ſehr leicht geſchah. Wenn man ihn naͤher kennen lernte, ſo fand man an ihm einen geſunden Menſchenverſtand, der auf dem Gemuͤth ruhte, und ſich deswegen von Neigungen und Leidenſchaften beſtimmen ließ, und aus eben dieſem Gemuͤth entſprang ein Enthuſiasmus fuͤr das Gute, Wahre, Rechte in moͤglichſter Reinheit. Denn der Lebensgang dieſes Mannes war ſehr einfach geweſen und doch gedraͤngt an Begebenheiten und mannigfaltiger Thaͤtigkeit. Das Element ſeiner Energie war ein unverwuͤſtlicher Glaube an Gott und an eine unmittelbar von daher fließende Huͤlfe, die ſich in einer ununterbro¬ chenen Vorſorge und in einer unfehlbaren Rettung aus aller Noth, von jedem Uebel

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/387>, abgerufen am 27.11.2024.