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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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seine Serviette zu zeichnen, und der Magd
gerieth es immer zum Unheil, wenn die
Stühle nicht höchst sauber gefunden wurden.
Bey allem diesen hatte er nichte Steifes in
seinem Aeußeren. Er sprach treuherzig, be¬
stimmt und trocken lebhaft, wobey ein leich¬
ter ironischer Scherz ihn gar wohl kleidete.
An Gestalt war er gut gebildet, schlank und
von ziemlicher Größe, sein Gesicht pockennar¬
big und unscheinbar, seine kleinen blauen Au¬
am heiter und durchdringend. Wenn er uns
nun von so mancher Seite zu hofmeistern
Ursache hatte, so ließen wir ihn auch noch
außerdem für unsern Fechtmeister gelten: denn
er führte ein sehr gutes Rappier, und es
schien ihm Spaß zu machen, bey dieser Ge¬
legenheit alle Pedanterie dieses Metiers an
uns auszuüben. Auch profitirten wir bey
ihm wirklich und mußten ihm dankbar seyn
für manche gesellige Stunde, die er uns in
guter Bewegung und Uebung verbringen hieß.

II. 25

ſeine Serviette zu zeichnen, und der Magd
gerieth es immer zum Unheil, wenn die
Stuͤhle nicht hoͤchſt ſauber gefunden wurden.
Bey allem dieſen hatte er nichte Steifes in
ſeinem Aeußeren. Er ſprach treuherzig, be¬
ſtimmt und trocken lebhaft, wobey ein leich¬
ter ironiſcher Scherz ihn gar wohl kleidete.
An Geſtalt war er gut gebildet, ſchlank und
von ziemlicher Groͤße, ſein Geſicht pockennar¬
big und unſcheinbar, ſeine kleinen blauen Au¬
am heiter und durchdringend. Wenn er uns
nun von ſo mancher Seite zu hofmeiſtern
Urſache hatte, ſo ließen wir ihn auch noch
außerdem fuͤr unſern Fechtmeiſter gelten: denn
er fuͤhrte ein ſehr gutes Rappier, und es
ſchien ihm Spaß zu machen, bey dieſer Ge¬
legenheit alle Pedanterie dieſes Metiers an
uns auszuuͤben. Auch profitirten wir bey
ihm wirklich und mußten ihm dankbar ſeyn
fuͤr manche geſellige Stunde, die er uns in
guter Bewegung und Uebung verbringen hieß.

II. 25
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[385/0393] ſeine Serviette zu zeichnen, und der Magd gerieth es immer zum Unheil, wenn die Stuͤhle nicht hoͤchſt ſauber gefunden wurden. Bey allem dieſen hatte er nichte Steifes in ſeinem Aeußeren. Er ſprach treuherzig, be¬ ſtimmt und trocken lebhaft, wobey ein leich¬ ter ironiſcher Scherz ihn gar wohl kleidete. An Geſtalt war er gut gebildet, ſchlank und von ziemlicher Groͤße, ſein Geſicht pockennar¬ big und unſcheinbar, ſeine kleinen blauen Au¬ am heiter und durchdringend. Wenn er uns nun von ſo mancher Seite zu hofmeiſtern Urſache hatte, ſo ließen wir ihn auch noch außerdem fuͤr unſern Fechtmeiſter gelten: denn er fuͤhrte ein ſehr gutes Rappier, und es ſchien ihm Spaß zu machen, bey dieſer Ge¬ legenheit alle Pedanterie dieſes Metiers an uns auszuuͤben. Auch profitirten wir bey ihm wirklich und mußten ihm dankbar ſeyn fuͤr manche geſellige Stunde, die er uns in guter Bewegung und Uebung verbringen hieß. II. 25

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/393>, abgerufen am 20.05.2024.