Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

merkte mir alles genau, schrieb fleißig auf,
und sehe jetzt an dem wenigen Uebriggeblie¬
benen, daß solche Nachrichten, wenn gleich
nur aus Fabeln und unzuverlässigen allgemei¬
nen Gerüchten im Augenblick aufgefaßt, doch
immer in der Folge einen gewissen Werth
haben, weil sie dazu dienen, das endlich be¬
kanntgewordne Geheime mit dem damals schon
Aufgedeckten und Oeffentlichen, das von Zeit¬
genossen richtig oder falsch Geurtheilte mit
den Ueberzeugungen der Nachwelt zusammen¬
zuhalten und zu vergleichen.

Auffallend und uns Pflastertretern täglich
vor Augen war das Project zu Verschönerung
der Stadt, dessen Ausführung von den Ris¬
sen und Planen auf die seltsamste Weise in
die Wirklichkeit überzugehen anfing. Inten¬
dant Gayot hatte sich vorgenommen, die
winkligen und ungleichen Gassen Straßburgs
umzuschaffen und eine wohl nach der Schnur
geregelte, ansehnliche, schöne Stadt zu grün¬

merkte mir alles genau, ſchrieb fleißig auf,
und ſehe jetzt an dem wenigen Uebriggeblie¬
benen, daß ſolche Nachrichten, wenn gleich
nur aus Fabeln und unzuverlaͤſſigen allgemei¬
nen Geruͤchten im Augenblick aufgefaßt, doch
immer in der Folge einen gewiſſen Werth
haben, weil ſie dazu dienen, das endlich be¬
kanntgewordne Geheime mit dem damals ſchon
Aufgedeckten und Oeffentlichen, das von Zeit¬
genoſſen richtig oder falſch Geurtheilte mit
den Ueberzeugungen der Nachwelt zuſammen¬
zuhalten und zu vergleichen.

Auffallend und uns Pflaſtertretern taͤglich
vor Augen war das Project zu Verſchoͤnerung
der Stadt, deſſen Ausfuͤhrung von den Riſ¬
ſen und Planen auf die ſeltſamſte Weiſe in
die Wirklichkeit uͤberzugehen anfing. Inten¬
dant Gayot hatte ſich vorgenommen, die
winkligen und ungleichen Gaſſen Straßburgs
umzuſchaffen und eine wohl nach der Schnur
geregelte, anſehnliche, ſchoͤne Stadt zu gruͤn¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0401" n="393"/>
merkte mir alles genau, &#x017F;chrieb fleißig auf,<lb/>
und &#x017F;ehe jetzt an dem wenigen Uebriggeblie¬<lb/>
benen, daß &#x017F;olche Nachrichten, wenn gleich<lb/>
nur aus Fabeln und unzuverla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen allgemei¬<lb/>
nen Geru&#x0364;chten im Augenblick aufgefaßt, doch<lb/>
immer in der Folge einen gewi&#x017F;&#x017F;en Werth<lb/>
haben, weil &#x017F;ie dazu dienen, das endlich be¬<lb/>
kanntgewordne Geheime mit dem damals &#x017F;chon<lb/>
Aufgedeckten und Oeffentlichen, das von Zeit¬<lb/>
geno&#x017F;&#x017F;en richtig oder fal&#x017F;ch Geurtheilte mit<lb/>
den Ueberzeugungen der Nachwelt zu&#x017F;ammen¬<lb/>
zuhalten und zu vergleichen.</p><lb/>
        <p>Auffallend und uns Pfla&#x017F;tertretern ta&#x0364;glich<lb/>
vor Augen war das Project zu Ver&#x017F;cho&#x0364;nerung<lb/>
der Stadt, de&#x017F;&#x017F;en Ausfu&#x0364;hrung von den Ri&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en und Planen auf die &#x017F;elt&#x017F;am&#x017F;te Wei&#x017F;e in<lb/>
die Wirklichkeit u&#x0364;berzugehen anfing. Inten¬<lb/>
dant <hi rendition="#g">Gayot</hi> hatte &#x017F;ich vorgenommen, die<lb/>
winkligen und ungleichen Ga&#x017F;&#x017F;en Straßburgs<lb/>
umzu&#x017F;chaffen und eine wohl nach der Schnur<lb/>
geregelte, an&#x017F;ehnliche, &#x017F;cho&#x0364;ne Stadt zu gru&#x0364;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[393/0401] merkte mir alles genau, ſchrieb fleißig auf, und ſehe jetzt an dem wenigen Uebriggeblie¬ benen, daß ſolche Nachrichten, wenn gleich nur aus Fabeln und unzuverlaͤſſigen allgemei¬ nen Geruͤchten im Augenblick aufgefaßt, doch immer in der Folge einen gewiſſen Werth haben, weil ſie dazu dienen, das endlich be¬ kanntgewordne Geheime mit dem damals ſchon Aufgedeckten und Oeffentlichen, das von Zeit¬ genoſſen richtig oder falſch Geurtheilte mit den Ueberzeugungen der Nachwelt zuſammen¬ zuhalten und zu vergleichen. Auffallend und uns Pflaſtertretern taͤglich vor Augen war das Project zu Verſchoͤnerung der Stadt, deſſen Ausfuͤhrung von den Riſ¬ ſen und Planen auf die ſeltſamſte Weiſe in die Wirklichkeit uͤberzugehen anfing. Inten¬ dant Gayot hatte ſich vorgenommen, die winkligen und ungleichen Gaſſen Straßburgs umzuſchaffen und eine wohl nach der Schnur geregelte, anſehnliche, ſchoͤne Stadt zu gruͤn¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/401
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 393. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/401>, abgerufen am 20.05.2024.