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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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len, und man konnte nicht unterlassen, sich
unter einander anzusehen; doch hatte der
Freund das Privilegium, daß man ihm nichts
übel nahm, und so konnte er ungestört fort¬
fahren.

"Die Mängel aufdecken ist nicht genug;
ja man hat Unrecht solches zu thun, wenn
man nicht zugleich das Mittel zu dem besse¬
ren Zustande anzugeben weiß. Ich will Euch,
meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein
Charwochenprediger, zur Buße und Besserung
im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wünsche
ich sämmtlichen liebenswürdigen Paaren das
längste und dauerhafteste Glück, und um hie¬
zu selbst auf das sicherste beyzutragen, thue
ich den Vorschlag, für unsere geselligen Stun¬
den diese kleinen allerliebsten Absonderungen
zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr
er fort, schon für die Ausführung gesorgt,
wenn ich Beyfall finden sollte. Hier ist ein
Beutel, in dem die Namen der Herren be¬

len, und man konnte nicht unterlaſſen, ſich
unter einander anzuſehen; doch hatte der
Freund das Privilegium, daß man ihm nichts
uͤbel nahm, und ſo konnte er ungeſtoͤrt fort¬
fahren.

„Die Maͤngel aufdecken iſt nicht genug;
ja man hat Unrecht ſolches zu thun, wenn
man nicht zugleich das Mittel zu dem beſſe¬
ren Zuſtande anzugeben weiß. Ich will Euch,
meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein
Charwochenprediger, zur Buße und Beſſerung
im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wuͤnſche
ich ſaͤmmtlichen liebenswuͤrdigen Paaren das
laͤngſte und dauerhafteſte Gluͤck, und um hie¬
zu ſelbſt auf das ſicherſte beyzutragen, thue
ich den Vorſchlag, fuͤr unſere geſelligen Stun¬
den dieſe kleinen allerliebſten Abſonderungen
zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr
er fort, ſchon fuͤr die Ausfuͤhrung geſorgt,
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[42/0050] len, und man konnte nicht unterlaſſen, ſich unter einander anzuſehen; doch hatte der Freund das Privilegium, daß man ihm nichts uͤbel nahm, und ſo konnte er ungeſtoͤrt fort¬ fahren. „Die Maͤngel aufdecken iſt nicht genug; ja man hat Unrecht ſolches zu thun, wenn man nicht zugleich das Mittel zu dem beſſe¬ ren Zuſtande anzugeben weiß. Ich will Euch, meine Freunde, daher nicht etwa, wie ein Charwochenprediger, zur Buße und Beſſerung im Allgemeinen ermahnen, vielmehr wuͤnſche ich ſaͤmmtlichen liebenswuͤrdigen Paaren das laͤngſte und dauerhafteſte Gluͤck, und um hie¬ zu ſelbſt auf das ſicherſte beyzutragen, thue ich den Vorſchlag, fuͤr unſere geſelligen Stun¬ den dieſe kleinen allerliebſten Abſonderungen zu trennen und aufzuheben. Ich habe, fuhr er fort, ſchon fuͤr die Ausfuͤhrung geſorgt, wenn ich Beyfall finden ſollte. Hier iſt ein Beutel, in dem die Namen der Herren be¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/50>, abgerufen am 21.11.2024.