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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Weise wiederholt haben will; da denn zuletzt,
unter den angehäuften Nachahmungen, das
Original selbst verdeckt und erstickt wird.

Das Heldengedicht meines Freundes war
ein Beleg zu dieser Bemerkung. Bey einer
großen Schlittenfahrt wird einem täppischen
Menschen ein Frauenzimmer zu Theil, das
ihn nicht mag; ihm begegnet neckisch genug
ein Unglück nach dem andern, das bey einer
solchen Gelegenheit sich ereignen kann, bis er
zuletzt, als er sich das Schlittenrecht erbittet,
von der Pritsche fällt, wobey ihm denn, wie
natürlich, die Geister ein Bein gestellt haben.
Die Schöne ergreift die Zügel und fährt al¬
lein nach Hause; ein begünstigter Freund em¬
pfängt sie und triumphirt über den anmaßli¬
chen Nebenbuhler. Uebrigens war es sehr
artig ausgedacht, wie ihn die vier verschiede¬
nen Geister nach und nach beschädigen, bis
ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel
heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬

Weiſe wiederholt haben will; da denn zuletzt,
unter den angehaͤuften Nachahmungen, das
Original ſelbſt verdeckt und erſtickt wird.

Das Heldengedicht meines Freundes war
ein Beleg zu dieſer Bemerkung. Bey einer
großen Schlittenfahrt wird einem taͤppiſchen
Menſchen ein Frauenzimmer zu Theil, das
ihn nicht mag; ihm begegnet neckiſch genug
ein Ungluͤck nach dem andern, das bey einer
ſolchen Gelegenheit ſich ereignen kann, bis er
zuletzt, als er ſich das Schlittenrecht erbittet,
von der Pritſche faͤllt, wobey ihm denn, wie
natuͤrlich, die Geiſter ein Bein geſtellt haben.
Die Schoͤne ergreift die Zuͤgel und faͤhrt al¬
lein nach Hauſe; ein beguͤnſtigter Freund em¬
pfaͤngt ſie und triumphirt uͤber den anmaßli¬
chen Nebenbuhler. Uebrigens war es ſehr
artig ausgedacht, wie ihn die vier verſchiede¬
nen Geiſter nach und nach beſchaͤdigen, bis
ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel
heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬

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[54/0062] Weiſe wiederholt haben will; da denn zuletzt, unter den angehaͤuften Nachahmungen, das Original ſelbſt verdeckt und erſtickt wird. Das Heldengedicht meines Freundes war ein Beleg zu dieſer Bemerkung. Bey einer großen Schlittenfahrt wird einem taͤppiſchen Menſchen ein Frauenzimmer zu Theil, das ihn nicht mag; ihm begegnet neckiſch genug ein Ungluͤck nach dem andern, das bey einer ſolchen Gelegenheit ſich ereignen kann, bis er zuletzt, als er ſich das Schlittenrecht erbittet, von der Pritſche faͤllt, wobey ihm denn, wie natuͤrlich, die Geiſter ein Bein geſtellt haben. Die Schoͤne ergreift die Zuͤgel und faͤhrt al¬ lein nach Hauſe; ein beguͤnſtigter Freund em¬ pfaͤngt ſie und triumphirt uͤber den anmaßli¬ chen Nebenbuhler. Uebrigens war es ſehr artig ausgedacht, wie ihn die vier verſchiede¬ nen Geiſter nach und nach beſchaͤdigen, bis ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/62>, abgerufen am 21.11.2024.