Weise wiederholt haben will; da denn zuletzt, unter den angehäuften Nachahmungen, das Original selbst verdeckt und erstickt wird.
Das Heldengedicht meines Freundes war ein Beleg zu dieser Bemerkung. Bey einer großen Schlittenfahrt wird einem täppischen Menschen ein Frauenzimmer zu Theil, das ihn nicht mag; ihm begegnet neckisch genug ein Unglück nach dem andern, das bey einer solchen Gelegenheit sich ereignen kann, bis er zuletzt, als er sich das Schlittenrecht erbittet, von der Pritsche fällt, wobey ihm denn, wie natürlich, die Geister ein Bein gestellt haben. Die Schöne ergreift die Zügel und fährt al¬ lein nach Hause; ein begünstigter Freund em¬ pfängt sie und triumphirt über den anmaßli¬ chen Nebenbuhler. Uebrigens war es sehr artig ausgedacht, wie ihn die vier verschiede¬ nen Geister nach und nach beschädigen, bis ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬
Weiſe wiederholt haben will; da denn zuletzt, unter den angehaͤuften Nachahmungen, das Original ſelbſt verdeckt und erſtickt wird.
Das Heldengedicht meines Freundes war ein Beleg zu dieſer Bemerkung. Bey einer großen Schlittenfahrt wird einem taͤppiſchen Menſchen ein Frauenzimmer zu Theil, das ihn nicht mag; ihm begegnet neckiſch genug ein Ungluͤck nach dem andern, das bey einer ſolchen Gelegenheit ſich ereignen kann, bis er zuletzt, als er ſich das Schlittenrecht erbittet, von der Pritſche faͤllt, wobey ihm denn, wie natuͤrlich, die Geiſter ein Bein geſtellt haben. Die Schoͤne ergreift die Zuͤgel und faͤhrt al¬ lein nach Hauſe; ein beguͤnſtigter Freund em¬ pfaͤngt ſie und triumphirt uͤber den anmaßli¬ chen Nebenbuhler. Uebrigens war es ſehr artig ausgedacht, wie ihn die vier verſchiede¬ nen Geiſter nach und nach beſchaͤdigen, bis ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0062"n="54"/>
Weiſe wiederholt haben will; da denn zuletzt,<lb/>
unter den angehaͤuften Nachahmungen, das<lb/>
Original ſelbſt verdeckt und erſtickt wird.</p><lb/><p>Das Heldengedicht meines Freundes war<lb/>
ein Beleg zu dieſer Bemerkung. Bey einer<lb/>
großen Schlittenfahrt wird einem taͤppiſchen<lb/>
Menſchen ein Frauenzimmer zu Theil, das<lb/>
ihn nicht mag; ihm begegnet neckiſch genug<lb/>
ein Ungluͤck nach dem andern, das bey einer<lb/>ſolchen Gelegenheit ſich ereignen kann, bis er<lb/>
zuletzt, als er ſich das Schlittenrecht erbittet,<lb/>
von der Pritſche faͤllt, wobey ihm denn, wie<lb/>
natuͤrlich, die Geiſter ein Bein geſtellt haben.<lb/>
Die Schoͤne ergreift die Zuͤgel und faͤhrt al¬<lb/>
lein nach Hauſe; ein beguͤnſtigter Freund em¬<lb/>
pfaͤngt ſie und triumphirt uͤber den anmaßli¬<lb/>
chen Nebenbuhler. Uebrigens war es ſehr<lb/>
artig ausgedacht, wie ihn die vier verſchiede¬<lb/>
nen Geiſter nach und nach beſchaͤdigen, bis<lb/>
ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel<lb/>
heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[54/0062]
Weiſe wiederholt haben will; da denn zuletzt,
unter den angehaͤuften Nachahmungen, das
Original ſelbſt verdeckt und erſtickt wird.
Das Heldengedicht meines Freundes war
ein Beleg zu dieſer Bemerkung. Bey einer
großen Schlittenfahrt wird einem taͤppiſchen
Menſchen ein Frauenzimmer zu Theil, das
ihn nicht mag; ihm begegnet neckiſch genug
ein Ungluͤck nach dem andern, das bey einer
ſolchen Gelegenheit ſich ereignen kann, bis er
zuletzt, als er ſich das Schlittenrecht erbittet,
von der Pritſche faͤllt, wobey ihm denn, wie
natuͤrlich, die Geiſter ein Bein geſtellt haben.
Die Schoͤne ergreift die Zuͤgel und faͤhrt al¬
lein nach Hauſe; ein beguͤnſtigter Freund em¬
pfaͤngt ſie und triumphirt uͤber den anmaßli¬
chen Nebenbuhler. Uebrigens war es ſehr
artig ausgedacht, wie ihn die vier verſchiede¬
nen Geiſter nach und nach beſchaͤdigen, bis
ihn endlich die Gnomen gar aus dem Sattel
heben. Das Gedicht, in Alexandrinern ge¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/62>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.