le von Einem Alter seyn; da aber die jünge¬ ren eigentlich nur lehren, um zu lernen, und noch dazu, wenn sie gute Köpfe sind, dem Zeitalter voreilen, so erwerben sie ihre Bil¬ dung durchaus auf Unkosten der Zuhörer, weil diese nicht in dem unterrichtet werden was sie eigentlich brauchen, sondern in dem was der Lehrer für sich zu bearbeiten nöthig fin¬ det. Unter den ältesten Professoren dagegen sind manche schon lange Zeit stationär; sie überliefern im Ganzen nur fixe Ansichten, und was das Einzelne betrifft, Vieles, was die Zeit schon als unnütz und falsch verur¬ theilt hat. Durch beydes entsteht ein trauri¬ ger Conflict, zwischen welchem junge Geister hin und her gezerrt werden, und welcher kaum durch die Lehrer des mittleren Alters, die, obschon genugsam unterrichtet und gebildet, doch immer noch ein thätiges Streben zum Wissen und Nachdenken bey sich empfinden, ins Gleiche gebracht werden kann.
le von Einem Alter ſeyn; da aber die juͤnge¬ ren eigentlich nur lehren, um zu lernen, und noch dazu, wenn ſie gute Koͤpfe ſind, dem Zeitalter voreilen, ſo erwerben ſie ihre Bil¬ dung durchaus auf Unkoſten der Zuhoͤrer, weil dieſe nicht in dem unterrichtet werden was ſie eigentlich brauchen, ſondern in dem was der Lehrer fuͤr ſich zu bearbeiten noͤthig fin¬ det. Unter den aͤlteſten Profeſſoren dagegen ſind manche ſchon lange Zeit ſtationaͤr; ſie uͤberliefern im Ganzen nur fixe Anſichten, und was das Einzelne betrifft, Vieles, was die Zeit ſchon als unnuͤtz und falſch verur¬ theilt hat. Durch beydes entſteht ein trauri¬ ger Conflict, zwiſchen welchem junge Geiſter hin und her gezerrt werden, und welcher kaum durch die Lehrer des mittleren Alters, die, obſchon genugſam unterrichtet und gebildet, doch immer noch ein thaͤtiges Streben zum Wiſſen und Nachdenken bey ſich empfinden, ins Gleiche gebracht werden kann.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0088"n="80"/>
le von Einem Alter ſeyn; da aber die juͤnge¬<lb/>
ren eigentlich nur lehren, um zu lernen, und<lb/>
noch dazu, wenn ſie gute Koͤpfe ſind, dem<lb/>
Zeitalter voreilen, ſo erwerben ſie ihre Bil¬<lb/>
dung durchaus auf Unkoſten der Zuhoͤrer, weil<lb/>
dieſe nicht in dem unterrichtet werden was<lb/>ſie eigentlich brauchen, ſondern in dem was<lb/>
der Lehrer fuͤr ſich zu bearbeiten noͤthig fin¬<lb/>
det. Unter den aͤlteſten Profeſſoren dagegen<lb/>ſind manche ſchon lange Zeit ſtationaͤr; ſie<lb/>
uͤberliefern im Ganzen nur fixe Anſichten,<lb/>
und was das Einzelne betrifft, Vieles, was<lb/>
die Zeit ſchon als unnuͤtz und falſch verur¬<lb/>
theilt hat. Durch beydes entſteht ein trauri¬<lb/>
ger Conflict, zwiſchen welchem junge Geiſter<lb/>
hin und her gezerrt werden, und welcher kaum<lb/>
durch die Lehrer des mittleren Alters, die,<lb/>
obſchon genugſam unterrichtet und gebildet,<lb/>
doch immer noch ein thaͤtiges Streben zum<lb/>
Wiſſen und Nachdenken bey ſich empfinden,<lb/>
ins Gleiche gebracht werden kann.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[80/0088]
le von Einem Alter ſeyn; da aber die juͤnge¬
ren eigentlich nur lehren, um zu lernen, und
noch dazu, wenn ſie gute Koͤpfe ſind, dem
Zeitalter voreilen, ſo erwerben ſie ihre Bil¬
dung durchaus auf Unkoſten der Zuhoͤrer, weil
dieſe nicht in dem unterrichtet werden was
ſie eigentlich brauchen, ſondern in dem was
der Lehrer fuͤr ſich zu bearbeiten noͤthig fin¬
det. Unter den aͤlteſten Profeſſoren dagegen
ſind manche ſchon lange Zeit ſtationaͤr; ſie
uͤberliefern im Ganzen nur fixe Anſichten,
und was das Einzelne betrifft, Vieles, was
die Zeit ſchon als unnuͤtz und falſch verur¬
theilt hat. Durch beydes entſteht ein trauri¬
ger Conflict, zwiſchen welchem junge Geiſter
hin und her gezerrt werden, und welcher kaum
durch die Lehrer des mittleren Alters, die,
obſchon genugſam unterrichtet und gebildet,
doch immer noch ein thaͤtiges Streben zum
Wiſſen und Nachdenken bey ſich empfinden,
ins Gleiche gebracht werden kann.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/88>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.