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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812.

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Sorten Tücher, Sarschen, Göttinger Zeug,
nicht weniger das nöthige Unterfutter vorhan¬
den, so daß wir, dem Stoff nach, uns wohl
hatten dürfen sehen lassen; aber die Form
verdarb meist alles: denn wenn ein solcher
Hausschneider allenfalls ein guter Geselle ge¬
wesen wäre, um einen meisterhaft zugeschnit¬
tenen Rock wohl zu nähen und zu fertigen,
so sollte er nun auch das Kleid selbst zuschnei¬
den, und dieses gerieth nicht immer zum be¬
sten. Hiezu kam noch, daß mein Vater al¬
les, was zu seinem Anzuge gehörte, sehr gut
und reinlich hielt und viele Jahre mehr be¬
wahrte als benutzte, daher eine Vorliebe für
gewissen alten Zuschnitt und Verzierungen
trug, wodurch unser Putz mitunter ein wun¬
derliches Ansehen bekam.

Auf eben diesem Wege hatte man auch
meine Garderobe, die ich mit auf die Acade¬
mie nahm, zu Stande gebracht; sie war
recht vollständig und ansehnlich und sogar ein

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Sorten Tuͤcher, Sarſchen, Goͤttinger Zeug,
nicht weniger das noͤthige Unterfutter vorhan¬
den, ſo daß wir, dem Stoff nach, uns wohl
hatten duͤrfen ſehen laſſen; aber die Form
verdarb meiſt alles: denn wenn ein ſolcher
Hausſchneider allenfalls ein guter Geſelle ge¬
weſen waͤre, um einen meiſterhaft zugeſchnit¬
tenen Rock wohl zu naͤhen und zu fertigen,
ſo ſollte er nun auch das Kleid ſelbſt zuſchnei¬
den, und dieſes gerieth nicht immer zum be¬
ſten. Hiezu kam noch, daß mein Vater al¬
les, was zu ſeinem Anzuge gehoͤrte, ſehr gut
und reinlich hielt und viele Jahre mehr be¬
wahrte als benutzte, daher eine Vorliebe fuͤr
gewiſſen alten Zuſchnitt und Verzierungen
trug, wodurch unſer Putz mitunter ein wun¬
derliches Anſehen bekam.

Auf eben dieſem Wege hatte man auch
meine Garderobe, die ich mit auf die Acade¬
mie nahm, zu Stande gebracht; ſie war
recht vollſtaͤndig und anſehnlich und ſogar ein

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[83/0091] Sorten Tuͤcher, Sarſchen, Goͤttinger Zeug, nicht weniger das noͤthige Unterfutter vorhan¬ den, ſo daß wir, dem Stoff nach, uns wohl hatten duͤrfen ſehen laſſen; aber die Form verdarb meiſt alles: denn wenn ein ſolcher Hausſchneider allenfalls ein guter Geſelle ge¬ weſen waͤre, um einen meiſterhaft zugeſchnit¬ tenen Rock wohl zu naͤhen und zu fertigen, ſo ſollte er nun auch das Kleid ſelbſt zuſchnei¬ den, und dieſes gerieth nicht immer zum be¬ ſten. Hiezu kam noch, daß mein Vater al¬ les, was zu ſeinem Anzuge gehoͤrte, ſehr gut und reinlich hielt und viele Jahre mehr be¬ wahrte als benutzte, daher eine Vorliebe fuͤr gewiſſen alten Zuſchnitt und Verzierungen trug, wodurch unſer Putz mitunter ein wun¬ derliches Anſehen bekam. Auf eben dieſem Wege hatte man auch meine Garderobe, die ich mit auf die Acade¬ mie nahm, zu Stande gebracht; ſie war recht vollſtaͤndig und anſehnlich und ſogar ein 6 *

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 2. Tübingen, 1812, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben02_1812/91>, abgerufen am 21.11.2024.