deutschen Parnaß nur allzu sehr gewuchert. So war er es denn auch, der, wie Rousseau, von dem geselligen Leben einen Ekelbegriff verbreitete, eine stille Einleitung zu jenen un¬ geheueren Weltveränderungen, in welchen al¬ les Bestehende unterzugehen schien.
Uns ziemt jedoch, diese Betrachtungen noch an die Seite zu lehnen und zu bemer¬ ken, was genannte beyde Männer auf Kunst gewirkt. Auch hier wiesen sie, auch von ihr drängten sie uns zur Natur.
Die höchste Aufgabe einer jeden Kunst ist, durch den Schein die Täuschung einer höheren Wirklichkeit zu geben. Ein falsches Bestreben aber ist, den Schein so lange zu verwirklichen, bis endlich nur ein gemeines Wirkliche übrig bleibt.
Als ein ideelles Local hatte die Bühne, durch Anwendung der perspectivischen Gesetze
deutſchen Parnaß nur allzu ſehr gewuchert. So war er es denn auch, der, wie Rouſſeau, von dem geſelligen Leben einen Ekelbegriff verbreitete, eine ſtille Einleitung zu jenen un¬ geheueren Weltveraͤnderungen, in welchen al¬ les Beſtehende unterzugehen ſchien.
Uns ziemt jedoch, dieſe Betrachtungen noch an die Seite zu lehnen und zu bemer¬ ken, was genannte beyde Maͤnner auf Kunſt gewirkt. Auch hier wieſen ſie, auch von ihr draͤngten ſie uns zur Natur.
Die hoͤchſte Aufgabe einer jeden Kunſt iſt, durch den Schein die Taͤuſchung einer hoͤheren Wirklichkeit zu geben. Ein falſches Beſtreben aber iſt, den Schein ſo lange zu verwirklichen, bis endlich nur ein gemeines Wirkliche uͤbrig bleibt.
Als ein ideelles Local hatte die Buͤhne, durch Anwendung der perſpectiviſchen Geſetze
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deutſchen Parnaß nur allzu ſehr gewuchert.
So war er es denn auch, der, wie Rouſſeau,
von dem geſelligen Leben einen Ekelbegriff
verbreitete, eine ſtille Einleitung zu jenen un¬
geheueren Weltveraͤnderungen, in welchen al¬
les Beſtehende unterzugehen ſchien.
Uns ziemt jedoch, dieſe Betrachtungen
noch an die Seite zu lehnen und zu bemer¬
ken, was genannte beyde Maͤnner auf Kunſt
gewirkt. Auch hier wieſen ſie, auch von ihr
draͤngten ſie uns zur Natur.
Die hoͤchſte Aufgabe einer jeden Kunſt
iſt, durch den Schein die Taͤuſchung einer
hoͤheren Wirklichkeit zu geben. Ein falſches
Beſtreben aber iſt, den Schein ſo lange zu
verwirklichen, bis endlich nur ein gemeines
Wirkliche uͤbrig bleibt.
Als ein ideelles Local hatte die Buͤhne,
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/106>, abgerufen am 27.11.2024.
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