so ward von vielen Seiten auch jene deutsche literarische Revolution vorbereitet, von der wir Zeugen waren, und wozu wir, bewußt und unbewußt, willig oder unwillig, unauf¬ haltsam mitwirkten.
Auf philosophische Weise erleuchtet und ge¬ fördert zu werden, hatten wir keinen Trieb noch Hang, über religiose Gegenstände glaub¬ ten wir uns selbst aufgeklärt zu haben, und so war der heftige Streit französischer Phi¬ losophen mit dem Pfaffthum uns ziemlich gleichgültig. Verbotene, zum Feuer verdamm¬ te Bücher, welche damals großen Lärmen machten, übten keine Wirkung auf uns. Ich gedenke statt aller des Systeme de la Natu¬ re, das wir aus Neugier in die Hand nah¬ men. Wir begriffen nicht, wie ein solches Buch gefährlich seyn könnte. Es kam uns so grau, so cimmerisch, so todtenhaft vor, daß wir Mühe hatten, seine Gegenwart aus¬ zuhalten, daß wir davor wie vor einem Ge¬
ſo ward von vielen Seiten auch jene deutſche literariſche Revolution vorbereitet, von der wir Zeugen waren, und wozu wir, bewußt und unbewußt, willig oder unwillig, unauf¬ haltſam mitwirkten.
Auf philoſophiſche Weiſe erleuchtet und ge¬ foͤrdert zu werden, hatten wir keinen Trieb noch Hang, uͤber religioſe Gegenſtaͤnde glaub¬ ten wir uns ſelbſt aufgeklaͤrt zu haben, und ſo war der heftige Streit franzoͤſiſcher Phi¬ loſophen mit dem Pfaffthum uns ziemlich gleichguͤltig. Verbotene, zum Feuer verdamm¬ te Buͤcher, welche damals großen Laͤrmen machten, uͤbten keine Wirkung auf uns. Ich gedenke ſtatt aller des Systême de la Natu¬ re, das wir aus Neugier in die Hand nah¬ men. Wir begriffen nicht, wie ein ſolches Buch gefaͤhrlich ſeyn koͤnnte. Es kam uns ſo grau, ſo cimmeriſch, ſo todtenhaft vor, daß wir Muͤhe hatten, ſeine Gegenwart aus¬ zuhalten, daß wir davor wie vor einem Ge¬
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ſo ward von vielen Seiten auch jene deutſche
literariſche Revolution vorbereitet, von der
wir Zeugen waren, und wozu wir, bewußt
und unbewußt, willig oder unwillig, unauf¬
haltſam mitwirkten.
Auf philoſophiſche Weiſe erleuchtet und ge¬
foͤrdert zu werden, hatten wir keinen Trieb
noch Hang, uͤber religioſe Gegenſtaͤnde glaub¬
ten wir uns ſelbſt aufgeklaͤrt zu haben, und
ſo war der heftige Streit franzoͤſiſcher Phi¬
loſophen mit dem Pfaffthum uns ziemlich
gleichguͤltig. Verbotene, zum Feuer verdamm¬
te Buͤcher, welche damals großen Laͤrmen
machten, uͤbten keine Wirkung auf uns. Ich
gedenke ſtatt aller des Systême de la Natu¬
re, das wir aus Neugier in die Hand nah¬
men. Wir begriffen nicht, wie ein ſolches
Buch gefaͤhrlich ſeyn koͤnnte. Es kam uns
ſo grau, ſo cimmeriſch, ſo todtenhaft vor,
daß wir Muͤhe hatten, ſeine Gegenwart aus¬
zuhalten, daß wir davor wie vor einem Ge¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/111>, abgerufen am 27.11.2024.
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