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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Aber ein so gutes Verständniß sollte nicht
lange dauern. Diese frommen Menschen hat¬
ten sich jenen auch nach ihrer Weise fromm
gedacht, sie hatten ihn als den Magus aus
Norden mit Ehrfurcht behandelt, und glaub¬
ten daß er sich auch sofort in ehrwürdigem
Betragen darstellen würde. Allein er hatte
schon durch die Wolken, ein Nachspiel So¬
cratischer Denkwürdigkeiten, einigen Anstoß
gegeben, und da er nun gar die Kreuzzüge
des Philologen
herausgab, auf deren
Titelblatt nicht allein das Ziegenprofil eines
gehörnten Pans zu sehen war, sondern auch
auf einer der ersten Seiten ein großer in Holz
geschnittener Hahn, tactgebend jungen Hähn¬
chen, die mit Noten in den Krallen vor ihm
da standen, sich höchst lächerlich zeigte, wo¬
durch gewisse Kirchenmusiken, die der Verfas¬
ser nicht billigen mochte, scherzhaft durchge¬
zogen werden sollten; so entstand unter den
Wohl- und Zartgesinnten ein Misbehagen,
welches man dem Verfasser merken ließ, der

Aber ein ſo gutes Verſtaͤndniß ſollte nicht
lange dauern. Dieſe frommen Menſchen hat¬
ten ſich jenen auch nach ihrer Weiſe fromm
gedacht, ſie hatten ihn als den Magus aus
Norden mit Ehrfurcht behandelt, und glaub¬
ten daß er ſich auch ſofort in ehrwuͤrdigem
Betragen darſtellen wuͤrde. Allein er hatte
ſchon durch die Wolken, ein Nachſpiel So¬
cratiſcher Denkwuͤrdigkeiten, einigen Anſtoß
gegeben, und da er nun gar die Kreuzzuͤge
des Philologen
herausgab, auf deren
Titelblatt nicht allein das Ziegenprofil eines
gehoͤrnten Pans zu ſehen war, ſondern auch
auf einer der erſten Seiten ein großer in Holz
geſchnittener Hahn, tactgebend jungen Haͤhn¬
chen, die mit Noten in den Krallen vor ihm
da ſtanden, ſich hoͤchſt laͤcherlich zeigte, wo¬
durch gewiſſe Kirchenmuſiken, die der Verfaſ¬
ſer nicht billigen mochte, ſcherzhaft durchge¬
zogen werden ſollten; ſo entſtand unter den
Wohl- und Zartgeſinnten ein Misbehagen,
welches man dem Verfaſſer merken ließ, der

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[162/0170] Aber ein ſo gutes Verſtaͤndniß ſollte nicht lange dauern. Dieſe frommen Menſchen hat¬ ten ſich jenen auch nach ihrer Weiſe fromm gedacht, ſie hatten ihn als den Magus aus Norden mit Ehrfurcht behandelt, und glaub¬ ten daß er ſich auch ſofort in ehrwuͤrdigem Betragen darſtellen wuͤrde. Allein er hatte ſchon durch die Wolken, ein Nachſpiel So¬ cratiſcher Denkwuͤrdigkeiten, einigen Anſtoß gegeben, und da er nun gar die Kreuzzuͤge des Philologen herausgab, auf deren Titelblatt nicht allein das Ziegenprofil eines gehoͤrnten Pans zu ſehen war, ſondern auch auf einer der erſten Seiten ein großer in Holz geſchnittener Hahn, tactgebend jungen Haͤhn¬ chen, die mit Noten in den Krallen vor ihm da ſtanden, ſich hoͤchſt laͤcherlich zeigte, wo¬ durch gewiſſe Kirchenmuſiken, die der Verfaſ¬ ſer nicht billigen mochte, ſcherzhaft durchge¬ zogen werden ſollten; ſo entſtand unter den Wohl- und Zartgeſinnten ein Misbehagen, welches man dem Verfaſſer merken ließ, der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/170>, abgerufen am 25.11.2024.