menclatur ihrer Gottheiten eingeleitet, und ob ich gleich mich sonst gern alles dessen be¬ diente, was mir gereicht ward; so konnte ich es doch nicht von mir gewinnen, mich dersel¬ ben zu bedienen, und zwar aus folgenden Ur¬ sechen. Ich hatte die Fabeln der Edda schon längst aus der Vorrede zu Mallet's Däni¬ scher Geschichte kennen gelernt, und mich dersel¬ ben sogleich bemächtigt; sie gehörten unter die¬ jenigen Mährchen, die ich, von einer Gesell¬ schaft aufgefordert, am liebsten erzählte. Her¬ der gab mir den Resenius in die Hände, und machte mich mit den Heldensagen mehr be¬ kannt. Aber alle diese Dinge, wie werth ich sie hielt, konnte ich nicht in den Kreis mei¬ nes Dichtungsvermögens aufnehmen; wie herr¬ lich sie mir auch die Einbildungskraft anreg¬ ten, entzogen sie sich doch ganz dem sinnlichen Anschaun, indessen die Mythologie der Grie¬ chen, durch die größten Künstler der Welt in sichtliche leicht einzubildende Gestalten verwan¬ delt, noch vor unsern Augen in Menge da¬
menclatur ihrer Gottheiten eingeleitet, und ob ich gleich mich ſonſt gern alles deſſen be¬ diente, was mir gereicht ward; ſo konnte ich es doch nicht von mir gewinnen, mich derſel¬ ben zu bedienen, und zwar aus folgenden Ur¬ ſechen. Ich hatte die Fabeln der Edda ſchon laͤngſt aus der Vorrede zu Mallet's Daͤni¬ ſcher Geſchichte kennen gelernt, und mich derſel¬ ben ſogleich bemaͤchtigt; ſie gehoͤrten unter die¬ jenigen Maͤhrchen, die ich, von einer Geſell¬ ſchaft aufgefordert, am liebſten erzaͤhlte. Her¬ der gab mir den Reſenius in die Haͤnde, und machte mich mit den Heldenſagen mehr be¬ kannt. Aber alle dieſe Dinge, wie werth ich ſie hielt, konnte ich nicht in den Kreis mei¬ nes Dichtungsvermoͤgens aufnehmen; wie herr¬ lich ſie mir auch die Einbildungskraft anreg¬ ten, entzogen ſie ſich doch ganz dem ſinnlichen Anſchaun, indeſſen die Mythologie der Grie¬ chen, durch die groͤßten Kuͤnſtler der Welt in ſichtliche leicht einzubildende Geſtalten verwan¬ delt, noch vor unſern Augen in Menge da¬
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menclatur ihrer Gottheiten eingeleitet, und
ob ich gleich mich ſonſt gern alles deſſen be¬
diente, was mir gereicht ward; ſo konnte ich
es doch nicht von mir gewinnen, mich derſel¬
ben zu bedienen, und zwar aus folgenden Ur¬
ſechen. Ich hatte die Fabeln der Edda ſchon
laͤngſt aus der Vorrede zu Mallet's Daͤni¬
ſcher Geſchichte kennen gelernt, und mich derſel¬
ben ſogleich bemaͤchtigt; ſie gehoͤrten unter die¬
jenigen Maͤhrchen, die ich, von einer Geſell¬
ſchaft aufgefordert, am liebſten erzaͤhlte. Her¬
der gab mir den Reſenius in die Haͤnde,
und machte mich mit den Heldenſagen mehr be¬
kannt. Aber alle dieſe Dinge, wie werth ich
ſie hielt, konnte ich nicht in den Kreis mei¬
nes Dichtungsvermoͤgens aufnehmen; wie herr¬
lich ſie mir auch die Einbildungskraft anreg¬
ten, entzogen ſie ſich doch ganz dem ſinnlichen
Anſchaun, indeſſen die Mythologie der Grie¬
chen, durch die groͤßten Kuͤnſtler der Welt in
ſichtliche leicht einzubildende Geſtalten verwan¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/226>, abgerufen am 23.11.2024.
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