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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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erträglichsten ist er mir, wenn er an einem
Pfahl hinaufklettert und versichert, hier sey
ein lebendiger Stamm, weil er ihn umlaubt
habe."

Ungeachtet man mir abermals die Dun¬
kelheit und Unanwendbarkeit meiner Gleich¬
nisse vorwarf, ward ich immer lebhafter ge¬
gen alle parasitische Creaturen, und machte,
so weit meine damaligen Naturkenntnisse reich¬
ten, meine Sachen noch ziemlich artig. Ich
sang zuletzt ein Vivat allen selbständigen
Männern, ein Pereat den Andringlingen, er¬
griff nach Tische Höpfners Hand, schüttelte
sie derb, erklärte ihn für den bravsten Mann
von der Welt, und umarmte ihn so wie die
andern zuletzt recht herzlich. Der wackere
neue Freund glaubte wirklich zu träumen, bis
endlich Schlosser und Merk das Räthsel auf¬
lösten, und der entdeckte Scherz eine allge¬
meine Heiterkeit verbreitete, in welche Schmidt
selbst mit einstimmte, der durch Anerkennung

ertraͤglichſten iſt er mir, wenn er an einem
Pfahl hinaufklettert und verſichert, hier ſey
ein lebendiger Stamm, weil er ihn umlaubt
habe.“

Ungeachtet man mir abermals die Dun¬
kelheit und Unanwendbarkeit meiner Gleich¬
niſſe vorwarf, ward ich immer lebhafter ge¬
gen alle paraſitiſche Creaturen, und machte,
ſo weit meine damaligen Naturkenntniſſe reich¬
ten, meine Sachen noch ziemlich artig. Ich
ſang zuletzt ein Vivat allen ſelbſtaͤndigen
Maͤnnern, ein Pereat den Andringlingen, er¬
griff nach Tiſche Hoͤpfners Hand, ſchuͤttelte
ſie derb, erklaͤrte ihn fuͤr den bravſten Mann
von der Welt, und umarmte ihn ſo wie die
andern zuletzt recht herzlich. Der wackere
neue Freund glaubte wirklich zu traͤumen, bis
endlich Schloſſer und Merk das Raͤthſel auf¬
loͤſten, und der entdeckte Scherz eine allge¬
meine Heiterkeit verbreitete, in welche Schmidt
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[249/0257] ertraͤglichſten iſt er mir, wenn er an einem Pfahl hinaufklettert und verſichert, hier ſey ein lebendiger Stamm, weil er ihn umlaubt habe.“ Ungeachtet man mir abermals die Dun¬ kelheit und Unanwendbarkeit meiner Gleich¬ niſſe vorwarf, ward ich immer lebhafter ge¬ gen alle paraſitiſche Creaturen, und machte, ſo weit meine damaligen Naturkenntniſſe reich¬ ten, meine Sachen noch ziemlich artig. Ich ſang zuletzt ein Vivat allen ſelbſtaͤndigen Maͤnnern, ein Pereat den Andringlingen, er¬ griff nach Tiſche Hoͤpfners Hand, ſchuͤttelte ſie derb, erklaͤrte ihn fuͤr den bravſten Mann von der Welt, und umarmte ihn ſo wie die andern zuletzt recht herzlich. Der wackere neue Freund glaubte wirklich zu traͤumen, bis endlich Schloſſer und Merk das Raͤthſel auf¬ loͤſten, und der entdeckte Scherz eine allge¬ meine Heiterkeit verbreitete, in welche Schmidt ſelbſt mit einſtimmte, der durch Anerkennung

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/257>, abgerufen am 24.11.2024.