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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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wird es durch Briefe geschehn: denn einem
schriftlichen Erguß, er sey fröhlich oder ver¬
drießlich, setzt sich doch Niemand unmittelbar
entgegen; eine mit Gegengründen verfaßte
Antwort aber giebt dem Einsamen Gelegen¬
heit, sich in seinen Grillen zu befestigen, ei¬
nen Anlaß, sich noch mehr zu verstocken.
Jene in diesem Sinne geschriebenen Werthe¬
rischen Briefe haben nun wohl deshalb einen
so mannigfaltigen Reiz, weil ihr verschiede¬
ner Inhalt erst in solchen ideellen Dialogen
mit mehreren Individuen durchgesprochen wor¬
den, sie sodann aber in der Composition selbst,
nur an einen Freund und Theilnehmer ge¬
richtet erscheinen. Mehr über die Behand¬
lung des so viel besprochenen Werkleins zu
sagen, möchte kaum räthlich seyn; über den
Inhalt jedoch läßt sich noch einiges hinzu¬
fügen.

Jener Ekel vor dem Leben hat seine phy¬
sischen und seine sittlichen Ursachen, jene wol¬

wird es durch Briefe geſchehn: denn einem
ſchriftlichen Erguß, er ſey froͤhlich oder ver¬
drießlich, ſetzt ſich doch Niemand unmittelbar
entgegen; eine mit Gegengruͤnden verfaßte
Antwort aber giebt dem Einſamen Gelegen¬
heit, ſich in ſeinen Grillen zu befeſtigen, ei¬
nen Anlaß, ſich noch mehr zu verſtocken.
Jene in dieſem Sinne geſchriebenen Werthe¬
riſchen Briefe haben nun wohl deshalb einen
ſo mannigfaltigen Reiz, weil ihr verſchiede¬
ner Inhalt erſt in ſolchen ideellen Dialogen
mit mehreren Individuen durchgeſprochen wor¬
den, ſie ſodann aber in der Compoſition ſelbſt,
nur an einen Freund und Theilnehmer ge¬
richtet erſcheinen. Mehr uͤber die Behand¬
lung des ſo viel beſprochenen Werkleins zu
ſagen, moͤchte kaum raͤthlich ſeyn; uͤber den
Inhalt jedoch laͤßt ſich noch einiges hinzu¬
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[320/0328] wird es durch Briefe geſchehn: denn einem ſchriftlichen Erguß, er ſey froͤhlich oder ver¬ drießlich, ſetzt ſich doch Niemand unmittelbar entgegen; eine mit Gegengruͤnden verfaßte Antwort aber giebt dem Einſamen Gelegen¬ heit, ſich in ſeinen Grillen zu befeſtigen, ei¬ nen Anlaß, ſich noch mehr zu verſtocken. Jene in dieſem Sinne geſchriebenen Werthe¬ riſchen Briefe haben nun wohl deshalb einen ſo mannigfaltigen Reiz, weil ihr verſchiede¬ ner Inhalt erſt in ſolchen ideellen Dialogen mit mehreren Individuen durchgeſprochen wor¬ den, ſie ſodann aber in der Compoſition ſelbſt, nur an einen Freund und Theilnehmer ge¬ richtet erſcheinen. Mehr uͤber die Behand¬ lung des ſo viel beſprochenen Werkleins zu ſagen, moͤchte kaum raͤthlich ſeyn; uͤber den Inhalt jedoch laͤßt ſich noch einiges hinzu¬ fuͤgen. Jener Ekel vor dem Leben hat ſeine phy¬ ſiſchen und ſeine ſittlichen Urſachen, jene wol¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/328>, abgerufen am 23.11.2024.