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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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wo wir denn auf grauer, unendlicher Haide,
unter vorstarrenden bemoosten Grabsteinen
wandelnd, das durch einen schauerlichen Wind
bewegte Gras um uns, und einen schwer be¬
wölkten Himmel über uns erblickten. Bey
Mondenschein ward dann erst diese caledoni¬
sche Nacht zum Tage; untergegangene Hel¬
den, verblühte Mädchen umschwebten uns,
bis wir zuletzt den Geist von Loda wirklich in
seiner furchtbaren Gestalt zu erblicken glaubten.

In einem solchen Element, bey solcher
Umgebung, bey Liebhabereyen und Studien
dieser Art, von unbefriedigten Leidenschaften
gepeinigt, von außen zu bedeutenden Hand¬
lungen keineswegs angeregt, in der einzigen
Aussicht, uns in einem schleppenden, geistlo¬
sen, bürgerlichen Leben hinhalten zu müssen,
befreundete man sich, in unmuthigem Ueber¬
muth, mit dem Gedanken, das Leben, wenn
es einem nicht mehr anstehe, nach eignem
Belieben allenfalls verlassen zu können, und

wo wir denn auf grauer, unendlicher Haide,
unter vorſtarrenden bemooſten Grabſteinen
wandelnd, das durch einen ſchauerlichen Wind
bewegte Gras um uns, und einen ſchwer be¬
woͤlkten Himmel uͤber uns erblickten. Bey
Mondenſchein ward dann erſt dieſe caledoni¬
ſche Nacht zum Tage; untergegangene Hel¬
den, verbluͤhte Maͤdchen umſchwebten uns,
bis wir zuletzt den Geiſt von Loda wirklich in
ſeiner furchtbaren Geſtalt zu erblicken glaubten.

In einem ſolchen Element, bey ſolcher
Umgebung, bey Liebhabereyen und Studien
dieſer Art, von unbefriedigten Leidenſchaften
gepeinigt, von außen zu bedeutenden Hand¬
lungen keineswegs angeregt, in der einzigen
Ausſicht, uns in einem ſchleppenden, geiſtlo¬
ſen, buͤrgerlichen Leben hinhalten zu muͤſſen,
befreundete man ſich, in unmuthigem Ueber¬
muth, mit dem Gedanken, das Leben, wenn
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[332/0340] wo wir denn auf grauer, unendlicher Haide, unter vorſtarrenden bemooſten Grabſteinen wandelnd, das durch einen ſchauerlichen Wind bewegte Gras um uns, und einen ſchwer be¬ woͤlkten Himmel uͤber uns erblickten. Bey Mondenſchein ward dann erſt dieſe caledoni¬ ſche Nacht zum Tage; untergegangene Hel¬ den, verbluͤhte Maͤdchen umſchwebten uns, bis wir zuletzt den Geiſt von Loda wirklich in ſeiner furchtbaren Geſtalt zu erblicken glaubten. In einem ſolchen Element, bey ſolcher Umgebung, bey Liebhabereyen und Studien dieſer Art, von unbefriedigten Leidenſchaften gepeinigt, von außen zu bedeutenden Hand¬ lungen keineswegs angeregt, in der einzigen Ausſicht, uns in einem ſchleppenden, geiſtlo¬ ſen, buͤrgerlichen Leben hinhalten zu muͤſſen, befreundete man ſich, in unmuthigem Ueber¬ muth, mit dem Gedanken, das Leben, wenn es einem nicht mehr anſtehe, nach eignem Belieben allenfalls verlaſſen zu koͤnnen, und

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/340>, abgerufen am 23.11.2024.