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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Diesen seltsamen Gewinn festzuhalten, ein
Werk von so bedeutendem und mannigfalti¬
gem Inhalt mir zu vergegenwärtigen, und in
allen seinen Theilen auszuführen war mir
um so angelegener, als ich schon wieder in
eine peinliche Lage gerathen war, die noch
weniger Hoffnung ließ als die vorigen, und
nichts als Unmuth, wo nicht Verdruß weis¬
sagte.

Es ist immer ein Unglück in neue Ver¬
hältnisse zu treten, in denen man nicht her¬
gekommen ist; wir werden oft wider unsern
Willen zu einer falschen Theilnahme gelockt,
uns peinigt die Halbheit solcher Zustände,
und doch sehen wir weder ein Mittel sie zu
ergänzen noch ihnen zu entsagen.

Frau von Laroche hatte ihre älteste Toch¬
ter nach Frankfurt verheiratet, kam oft sie
zu besuchen, und konnte sich nicht recht in
den Zustand finden, den sie doch selbst aus¬

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Dieſen ſeltſamen Gewinn feſtzuhalten, ein
Werk von ſo bedeutendem und mannigfalti¬
gem Inhalt mir zu vergegenwaͤrtigen, und in
allen ſeinen Theilen auszufuͤhren war mir
um ſo angelegener, als ich ſchon wieder in
eine peinliche Lage gerathen war, die noch
weniger Hoffnung ließ als die vorigen, und
nichts als Unmuth, wo nicht Verdruß weiſ¬
ſagte.

Es iſt immer ein Ungluͤck in neue Ver¬
haͤltniſſe zu treten, in denen man nicht her¬
gekommen iſt; wir werden oft wider unſern
Willen zu einer falſchen Theilnahme gelockt,
uns peinigt die Halbheit ſolcher Zuſtaͤnde,
und doch ſehen wir weder ein Mittel ſie zu
ergaͤnzen noch ihnen zu entſagen.

Frau von Laroche hatte ihre aͤlteſte Toch¬
ter nach Frankfurt verheiratet, kam oft ſie
zu beſuchen, und konnte ſich nicht recht in
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[339/0347] Dieſen ſeltſamen Gewinn feſtzuhalten, ein Werk von ſo bedeutendem und mannigfalti¬ gem Inhalt mir zu vergegenwaͤrtigen, und in allen ſeinen Theilen auszufuͤhren war mir um ſo angelegener, als ich ſchon wieder in eine peinliche Lage gerathen war, die noch weniger Hoffnung ließ als die vorigen, und nichts als Unmuth, wo nicht Verdruß weiſ¬ ſagte. Es iſt immer ein Ungluͤck in neue Ver¬ haͤltniſſe zu treten, in denen man nicht her¬ gekommen iſt; wir werden oft wider unſern Willen zu einer falſchen Theilnahme gelockt, uns peinigt die Halbheit ſolcher Zuſtaͤnde, und doch ſehen wir weder ein Mittel ſie zu ergaͤnzen noch ihnen zu entſagen. Frau von Laroche hatte ihre aͤlteſte Toch¬ ter nach Frankfurt verheiratet, kam oft ſie zu beſuchen, und konnte ſich nicht recht in den Zuſtand finden, den ſie doch ſelbſt aus¬ 22*

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/347>, abgerufen am 23.11.2024.