Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach Tische suchte man den Schatten,
gesellschaftliche Spiele wurden vorgenommen
und Pfänderspiele kamen an die Reihe. Bey
Lösung der Pfänder ging alles jeder Art ins
Uebertriebene: Gebärden die man verlangte,
Handlungen die man ausüben, Aufgaben die
man lösen sollte, alles zeigte von einer ver¬
wegenen Lust, die keine Grenzen kennt. Ich
selbst steigerte diese wilden Scherze durch man¬
chen Schwank, Friedrike glänzte durch man¬
chen neckischen Einfall; sie erschien mir lieb¬
licher als je; alle hypochondrischen abergläu¬
bischen Grillen waren mir verschwunden und
als sich die Gelegenheit gab, meine so zärt¬
lich Geliebte recht herzlich zu küssen, ver¬
säumte ich's nicht, und noch weniger versagte
ich mir die Wiederholung dieser Freude.

Die Hoffnung der Gesellschaft auf Musik
wurde endlich befriedigt, sie ließ sich hören und
alles eilte zum Tanz. Die Allemanden, das
Walzen und Drehen war Anfang, Mittel und

Nach Tiſche ſuchte man den Schatten,
geſellſchaftliche Spiele wurden vorgenommen
und Pfaͤnderſpiele kamen an die Reihe. Bey
Loͤſung der Pfaͤnder ging alles jeder Art ins
Uebertriebene: Gebaͤrden die man verlangte,
Handlungen die man ausuͤben, Aufgaben die
man loͤſen ſollte, alles zeigte von einer ver¬
wegenen Luſt, die keine Grenzen kennt. Ich
ſelbſt ſteigerte dieſe wilden Scherze durch man¬
chen Schwank, Friedrike glaͤnzte durch man¬
chen neckiſchen Einfall; ſie erſchien mir lieb¬
licher als je; alle hypochondriſchen aberglaͤu¬
biſchen Grillen waren mir verſchwunden und
als ſich die Gelegenheit gab, meine ſo zaͤrt¬
lich Geliebte recht herzlich zu kuͤſſen, ver¬
ſaͤumte ich's nicht, und noch weniger verſagte
ich mir die Wiederholung dieſer Freude.

Die Hoffnung der Geſellſchaft auf Muſik
wurde endlich befriedigt, ſie ließ ſich hoͤren und
alles eilte zum Tanz. Die Allemanden, das
Walzen und Drehen war Anfang, Mittel und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0037" n="29"/>
        <p>Nach Ti&#x017F;che &#x017F;uchte man den Schatten,<lb/>
ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliche Spiele wurden vorgenommen<lb/>
und Pfa&#x0364;nder&#x017F;piele kamen an die Reihe. Bey<lb/>
Lo&#x0364;&#x017F;ung der Pfa&#x0364;nder ging alles jeder Art ins<lb/>
Uebertriebene: Geba&#x0364;rden die man verlangte,<lb/>
Handlungen die man ausu&#x0364;ben, Aufgaben die<lb/>
man lo&#x0364;&#x017F;en &#x017F;ollte, alles zeigte von einer ver¬<lb/>
wegenen Lu&#x017F;t, die keine Grenzen kennt. Ich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;teigerte die&#x017F;e wilden Scherze durch man¬<lb/>
chen Schwank, Friedrike gla&#x0364;nzte durch man¬<lb/>
chen necki&#x017F;chen Einfall; &#x017F;ie er&#x017F;chien mir lieb¬<lb/>
licher als je; alle hypochondri&#x017F;chen abergla&#x0364;<lb/>
bi&#x017F;chen Grillen waren mir ver&#x017F;chwunden und<lb/>
als &#x017F;ich die Gelegenheit gab, meine &#x017F;o za&#x0364;rt¬<lb/>
lich Geliebte recht herzlich zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, ver¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umte ich's nicht, und noch weniger ver&#x017F;agte<lb/>
ich mir die Wiederholung die&#x017F;er Freude.</p><lb/>
        <p>Die Hoffnung der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft auf Mu&#x017F;ik<lb/>
wurde endlich befriedigt, &#x017F;ie ließ &#x017F;ich ho&#x0364;ren und<lb/>
alles eilte zum Tanz. Die Allemanden, das<lb/>
Walzen und Drehen war Anfang, Mittel und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0037] Nach Tiſche ſuchte man den Schatten, geſellſchaftliche Spiele wurden vorgenommen und Pfaͤnderſpiele kamen an die Reihe. Bey Loͤſung der Pfaͤnder ging alles jeder Art ins Uebertriebene: Gebaͤrden die man verlangte, Handlungen die man ausuͤben, Aufgaben die man loͤſen ſollte, alles zeigte von einer ver¬ wegenen Luſt, die keine Grenzen kennt. Ich ſelbſt ſteigerte dieſe wilden Scherze durch man¬ chen Schwank, Friedrike glaͤnzte durch man¬ chen neckiſchen Einfall; ſie erſchien mir lieb¬ licher als je; alle hypochondriſchen aberglaͤu¬ biſchen Grillen waren mir verſchwunden und als ſich die Gelegenheit gab, meine ſo zaͤrt¬ lich Geliebte recht herzlich zu kuͤſſen, ver¬ ſaͤumte ich's nicht, und noch weniger verſagte ich mir die Wiederholung dieſer Freude. Die Hoffnung der Geſellſchaft auf Muſik wurde endlich befriedigt, ſie ließ ſich hoͤren und alles eilte zum Tanz. Die Allemanden, das Walzen und Drehen war Anfang, Mittel und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/37
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/37>, abgerufen am 23.11.2024.