An diesen kleinen Aufsätzen, welche, sämmt¬ lich in Einem Sinne verfaßt, ein wahrhaft Ganzes ausmachen, ist die innigste Kenntniß des bürgerlichen Wesens im höchsten Grade merkwürdig und rühmenswerth. Wir sehen eine Verfassung auf der Vergangenheit ruhn, und noch als lebendig bestehn. Von der ei¬ nen Seite hält man am Herkommen fest, von der andern kann man die Bewegung und Veränderung der Dinge nicht hindern. Hier fürchtet man sich vor einer nützlichen Neue¬ rung, dort hat man Lust und Freude am Neuen, auch wenn es unnütz ja schädlich wä¬ re. Wie vorurtheilsfrey setzt der Verfasser die Verhältnisse der Stände aus einander, so wie den Bezug, in welchem die Städte, Fle¬ cken und Dörfer wechselseitig stehn. Man erfährt ihre Gerechtsame zugleich mit den rechtlichen Gründen, es wird uns bekannt, wo das Grundcapital des Staats liegt und was es für Interessen bringt. Wir sehen den Besitz und seine Vortheile, dagegen aber
An dieſen kleinen Aufſaͤtzen, welche, ſaͤmmt¬ lich in Einem Sinne verfaßt, ein wahrhaft Ganzes ausmachen, iſt die innigſte Kenntniß des buͤrgerlichen Weſens im hoͤchſten Grade merkwuͤrdig und ruͤhmenswerth. Wir ſehen eine Verfaſſung auf der Vergangenheit ruhn, und noch als lebendig beſtehn. Von der ei¬ nen Seite haͤlt man am Herkommen feſt, von der andern kann man die Bewegung und Veraͤnderung der Dinge nicht hindern. Hier fuͤrchtet man ſich vor einer nuͤtzlichen Neue¬ rung, dort hat man Luſt und Freude am Neuen, auch wenn es unnuͤtz ja ſchaͤdlich waͤ¬ re. Wie vorurtheilsfrey ſetzt der Verfaſſer die Verhaͤltniſſe der Staͤnde aus einander, ſo wie den Bezug, in welchem die Staͤdte, Fle¬ cken und Doͤrfer wechſelſeitig ſtehn. Man erfaͤhrt ihre Gerechtſame zugleich mit den rechtlichen Gruͤnden, es wird uns bekannt, wo das Grundcapital des Staats liegt und was es fuͤr Intereſſen bringt. Wir ſehen den Beſitz und ſeine Vortheile, dagegen aber
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An dieſen kleinen Aufſaͤtzen, welche, ſaͤmmt¬
lich in Einem Sinne verfaßt, ein wahrhaft
Ganzes ausmachen, iſt die innigſte Kenntniß
des buͤrgerlichen Weſens im hoͤchſten Grade
merkwuͤrdig und ruͤhmenswerth. Wir ſehen
eine Verfaſſung auf der Vergangenheit ruhn,
und noch als lebendig beſtehn. Von der ei¬
nen Seite haͤlt man am Herkommen feſt, von
der andern kann man die Bewegung und
Veraͤnderung der Dinge nicht hindern. Hier
fuͤrchtet man ſich vor einer nuͤtzlichen Neue¬
rung, dort hat man Luſt und Freude am
Neuen, auch wenn es unnuͤtz ja ſchaͤdlich waͤ¬
re. Wie vorurtheilsfrey ſetzt der Verfaſſer
die Verhaͤltniſſe der Staͤnde aus einander, ſo
wie den Bezug, in welchem die Staͤdte, Fle¬
cken und Doͤrfer wechſelſeitig ſtehn. Man
erfaͤhrt ihre Gerechtſame zugleich mit den
rechtlichen Gruͤnden, es wird uns bekannt,
wo das Grundcapital des Staats liegt und
was es fuͤr Intereſſen bringt. Wir ſehen
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/373>, abgerufen am 26.11.2024.
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