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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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in seinem Sinne höchst religiös, nach Ueber¬
zeugung der Gesellschaft höchst lästerlich. La¬
vater, durch sanften Ernst, ich, durch ablei¬
tende Scherze, die Frauen, durch zerstreuende
Spazirgänge, suchten Mittel gegen dieses Un¬
heil; die Verstimmung jedoch konnte nicht
geheilt werden. Eine christliche Unterhaltung,
die man sich von Lavaters Gegenwart ver¬
sprechen, eine pädagogische, wie man sie von
Basedow erwartete, eine sentimentale, zu
der ich mich bereit finden sollte, alles war
auf einmal gestört und aufgehoben. Auf dem
Heimwege machte Lavater ihm Vorwürfe, ich
aber bestrafte ihn auf eine lustige Weise. Es
war heiße Zeit, und der Tabacksdampf moch¬
te Basedow's Gaumen noch mehr getrocknet
haben; sehnlichst verlangte er nach einem
Glase Bier, und als er an der Landstraße
von weitem ein Wirthshaus erblickte, befahl
er höchst gierig dem Kutscher, dort stille zu
halten. Ich aber, im Augenblicke daß der¬
selbe anfahren wollte, rufe ihm mit Gewalt

in ſeinem Sinne hoͤchſt religioͤs, nach Ueber¬
zeugung der Geſellſchaft hoͤchſt laͤſterlich. La¬
vater, durch ſanften Ernſt, ich, durch ablei¬
tende Scherze, die Frauen, durch zerſtreuende
Spazirgaͤnge, ſuchten Mittel gegen dieſes Un¬
heil; die Verſtimmung jedoch konnte nicht
geheilt werden. Eine chriſtliche Unterhaltung,
die man ſich von Lavaters Gegenwart ver¬
ſprechen, eine paͤdagogiſche, wie man ſie von
Baſedow erwartete, eine ſentimentale, zu
der ich mich bereit finden ſollte, alles war
auf einmal geſtoͤrt und aufgehoben. Auf dem
Heimwege machte Lavater ihm Vorwuͤrfe, ich
aber beſtrafte ihn auf eine luſtige Weiſe. Es
war heiße Zeit, und der Tabacksdampf moch¬
te Baſedow's Gaumen noch mehr getrocknet
haben; ſehnlichſt verlangte er nach einem
Glaſe Bier, und als er an der Landſtraße
von weitem ein Wirthshaus erblickte, befahl
er hoͤchſt gierig dem Kutſcher, dort ſtille zu
halten. Ich aber, im Augenblicke daß der¬
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[426/0434] in ſeinem Sinne hoͤchſt religioͤs, nach Ueber¬ zeugung der Geſellſchaft hoͤchſt laͤſterlich. La¬ vater, durch ſanften Ernſt, ich, durch ablei¬ tende Scherze, die Frauen, durch zerſtreuende Spazirgaͤnge, ſuchten Mittel gegen dieſes Un¬ heil; die Verſtimmung jedoch konnte nicht geheilt werden. Eine chriſtliche Unterhaltung, die man ſich von Lavaters Gegenwart ver¬ ſprechen, eine paͤdagogiſche, wie man ſie von Baſedow erwartete, eine ſentimentale, zu der ich mich bereit finden ſollte, alles war auf einmal geſtoͤrt und aufgehoben. Auf dem Heimwege machte Lavater ihm Vorwuͤrfe, ich aber beſtrafte ihn auf eine luſtige Weiſe. Es war heiße Zeit, und der Tabacksdampf moch¬ te Baſedow's Gaumen noch mehr getrocknet haben; ſehnlichſt verlangte er nach einem Glaſe Bier, und als er an der Landſtraße von weitem ein Wirthshaus erblickte, befahl er hoͤchſt gierig dem Kutſcher, dort ſtille zu halten. Ich aber, im Augenblicke daß der¬ ſelbe anfahren wollte, rufe ihm mit Gewalt

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/434>, abgerufen am 27.11.2024.