das bürgerliche Leben so viel werth, oder verschlingen die Bedürfnisse des Tags den Menschen so ganz, daß er jede schöne For¬ derung von sich ablehnen soll?
So sind als kleine Nebenzweige der roman¬ tisch-poetischen Fictionen, die historisch-poe¬ tischen Taufnamen, die sich an die Stelle der heiligen, nicht selten zum Aergerniß der taufenden Geistlichen, in die deutsche Kirche eingedrungen, ohne Zweifel anzusehn. Auch dieser Trieb, sein Kind durch einen wohl¬ klingenden Namen, wenn er auch sonst nichts weiter hinter sich hätte, zu adeln, ist löb¬ lich, und diese Verknüpfung einer eingebildeten Welt mit der wirklichen verbreitet sogar über das ganze Leben der Person einen anmuthi¬ gen Schimmer. Ein schönes Kind, welches wir mit Wohlgefallen Bertha nennen, wür¬ den wir zu beleidigen glauben, wenn wir es Urselblandine nennen sollten. Gewiß, einem
das buͤrgerliche Leben ſo viel werth, oder verſchlingen die Beduͤrfniſſe des Tags den Menſchen ſo ganz, daß er jede ſchoͤne For¬ derung von ſich ablehnen ſoll?
So ſind als kleine Nebenzweige der roman¬ tiſch-poetiſchen Fictionen, die hiſtoriſch-poe¬ tiſchen Taufnamen, die ſich an die Stelle der heiligen, nicht ſelten zum Aergerniß der taufenden Geiſtlichen, in die deutſche Kirche eingedrungen, ohne Zweifel anzuſehn. Auch dieſer Trieb, ſein Kind durch einen wohl¬ klingenden Namen, wenn er auch ſonſt nichts weiter hinter ſich haͤtte, zu adeln, iſt loͤb¬ lich, und dieſe Verknuͤpfung einer eingebildeten Welt mit der wirklichen verbreitet ſogar uͤber das ganze Leben der Perſon einen anmuthi¬ gen Schimmer. Ein ſchoͤnes Kind, welches wir mit Wohlgefallen Bertha nennen, wuͤr¬ den wir zu beleidigen glauben, wenn wir es Urſelblandine nennen ſollten. Gewiß, einem
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das buͤrgerliche Leben ſo viel werth, oder
verſchlingen die Beduͤrfniſſe des Tags den
Menſchen ſo ganz, daß er jede ſchoͤne For¬
derung von ſich ablehnen ſoll?
So ſind als kleine Nebenzweige der roman¬
tiſch-poetiſchen Fictionen, die hiſtoriſch-poe¬
tiſchen Taufnamen, die ſich an die Stelle
der heiligen, nicht ſelten zum Aergerniß der
taufenden Geiſtlichen, in die deutſche Kirche
eingedrungen, ohne Zweifel anzuſehn. Auch
dieſer Trieb, ſein Kind durch einen wohl¬
klingenden Namen, wenn er auch ſonſt nichts
weiter hinter ſich haͤtte, zu adeln, iſt loͤb¬
lich, und dieſe Verknuͤpfung einer eingebildeten
Welt mit der wirklichen verbreitet ſogar uͤber
das ganze Leben der Perſon einen anmuthi¬
gen Schimmer. Ein ſchoͤnes Kind, welches
wir mit Wohlgefallen Bertha nennen, wuͤr¬
den wir zu beleidigen glauben, wenn wir es
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/47>, abgerufen am 23.11.2024.
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