ihn mit eines Handwerksgenossen, mit Hans Sachsens Geist und Humor bestens ausge¬ stattet, und ihn durch eine Neigung zu Christo veredelt. Weil er nun, bey offener Werk¬ statt, sich gern mit den Vorbeygehenden un¬ terhielt, sie neckte und, auf Socratische Weise, Jeden nach seiner Art anregte; so verweilten die Nachbarn und andre vom Volk gern bey ihm, auch Pharisäer und Saddu¬ zäer sprachen zu, und, begleitet von seinen Jüngern, mochte der Heiland selbst wohl auch manchmal bey ihm verweilen. Der Schu¬ ster, dessen Sinn bloß auf die Welt gerichtet war, faßte doch zu unserem Herrn eine be¬ sondere Neigung, die sich hauptsächlich da¬ durch äußerte, daß er den hohen Mann, des¬ sen Sinn er nicht faßte, zu seiner eignen Denk- und Handelsweise bekehren wollte. Er lag daher Christo sehr inständig an, doch aus der Beschaulichkeit hervorzutreten, nicht mit solchen Müßiggängern im Lande herum¬ zuziehn, nicht das Volk von der Arbeit hin¬
ihn mit eines Handwerksgenoſſen, mit Hans Sachſens Geiſt und Humor beſtens ausge¬ ſtattet, und ihn durch eine Neigung zu Chriſto veredelt. Weil er nun, bey offener Werk¬ ſtatt, ſich gern mit den Vorbeygehenden un¬ terhielt, ſie neckte und, auf Socratiſche Weiſe, Jeden nach ſeiner Art anregte; ſo verweilten die Nachbarn und andre vom Volk gern bey ihm, auch Phariſaͤer und Saddu¬ zaͤer ſprachen zu, und, begleitet von ſeinen Juͤngern, mochte der Heiland ſelbſt wohl auch manchmal bey ihm verweilen. Der Schu¬ ſter, deſſen Sinn bloß auf die Welt gerichtet war, faßte doch zu unſerem Herrn eine be¬ ſondere Neigung, die ſich hauptſaͤchlich da¬ durch aͤußerte, daß er den hohen Mann, deſ¬ ſen Sinn er nicht faßte, zu ſeiner eignen Denk- und Handelsweiſe bekehren wollte. Er lag daher Chriſto ſehr inſtaͤndig an, doch aus der Beſchaulichkeit hervorzutreten, nicht mit ſolchen Muͤßiggaͤngern im Lande herum¬ zuziehn, nicht das Volk von der Arbeit hin¬
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ihn mit eines Handwerksgenoſſen, mit Hans
Sachſens Geiſt und Humor beſtens ausge¬
ſtattet, und ihn durch eine Neigung zu Chriſto
veredelt. Weil er nun, bey offener Werk¬
ſtatt, ſich gern mit den Vorbeygehenden un¬
terhielt, ſie neckte und, auf Socratiſche
Weiſe, Jeden nach ſeiner Art anregte; ſo
verweilten die Nachbarn und andre vom Volk
gern bey ihm, auch Phariſaͤer und Saddu¬
zaͤer ſprachen zu, und, begleitet von ſeinen
Juͤngern, mochte der Heiland ſelbſt wohl auch
manchmal bey ihm verweilen. Der Schu¬
ſter, deſſen Sinn bloß auf die Welt gerichtet
war, faßte doch zu unſerem Herrn eine be¬
ſondere Neigung, die ſich hauptſaͤchlich da¬
durch aͤußerte, daß er den hohen Mann, deſ¬
ſen Sinn er nicht faßte, zu ſeiner eignen
Denk- und Handelsweiſe bekehren wollte.
Er lag daher Chriſto ſehr inſtaͤndig an, doch
aus der Beſchaulichkeit hervorzutreten, nicht
mit ſolchen Muͤßiggaͤngern im Lande herum¬
zuziehn, nicht das Volk von der Arbeit hin¬
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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/477>, abgerufen am 23.11.2024.
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