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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Die Gewohnheit zusammen zu seyn, be¬
festigte sich immer mehr; man wußte nicht
anders als daß ich diesem Kreis angehöre.
Man ließ es geschehn und gehn, ohne gera¬
de zu fragen, was daraus werden sollte.
Und welche Aeltern finden sich nicht genöthigt,
Töchter und Söhne in so schwebenden Zuständen
eine Weile hinwalten zu lassen, bis sich etwas
zufällig für's Leben bestätigt, besser als es
ein lange angelegter Plan hätte hervorbrin¬
gen können.

Man glaubte sowohl auf Friedrikens Ge¬
sinnungen als auch auf meine Rechtlichkeit,
für die man, wegen jenes wunderlichen Ent¬
haltens selbst von unschuldigen Liebkosungen,
ein günstiges Vorurtheil gefaßt hatte, völlig
vertrauen zu können. Man ließ uns unbeob¬
achtet, wie es überhaupt dort und damals
Sitte war, und es hing von uns ab, in
kleinerer oder größerer Gesellschaft, die Ge¬
gend zu durchstreifen und die Freunde der

Die Gewohnheit zuſammen zu ſeyn, be¬
feſtigte ſich immer mehr; man wußte nicht
anders als daß ich dieſem Kreis angehoͤre.
Man ließ es geſchehn und gehn, ohne gera¬
de zu fragen, was daraus werden ſollte.
Und welche Aeltern finden ſich nicht genoͤthigt,
Toͤchter und Soͤhne in ſo ſchwebenden Zuſtaͤnden
eine Weile hinwalten zu laſſen, bis ſich etwas
zufaͤllig fuͤr's Leben beſtaͤtigt, beſſer als es
ein lange angelegter Plan haͤtte hervorbrin¬
gen koͤnnen.

Man glaubte ſowohl auf Friedrikens Ge¬
ſinnungen als auch auf meine Rechtlichkeit,
fuͤr die man, wegen jenes wunderlichen Ent¬
haltens ſelbſt von unſchuldigen Liebkoſungen,
ein guͤnſtiges Vorurtheil gefaßt hatte, voͤllig
vertrauen zu koͤnnen. Man ließ uns unbeob¬
achtet, wie es uͤberhaupt dort und damals
Sitte war, und es hing von uns ab, in
kleinerer oder groͤßerer Geſellſchaft, die Ge¬
gend zu durchſtreifen und die Freunde der

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[41/0049] Die Gewohnheit zuſammen zu ſeyn, be¬ feſtigte ſich immer mehr; man wußte nicht anders als daß ich dieſem Kreis angehoͤre. Man ließ es geſchehn und gehn, ohne gera¬ de zu fragen, was daraus werden ſollte. Und welche Aeltern finden ſich nicht genoͤthigt, Toͤchter und Soͤhne in ſo ſchwebenden Zuſtaͤnden eine Weile hinwalten zu laſſen, bis ſich etwas zufaͤllig fuͤr's Leben beſtaͤtigt, beſſer als es ein lange angelegter Plan haͤtte hervorbrin¬ gen koͤnnen. Man glaubte ſowohl auf Friedrikens Ge¬ ſinnungen als auch auf meine Rechtlichkeit, fuͤr die man, wegen jenes wunderlichen Ent¬ haltens ſelbſt von unſchuldigen Liebkoſungen, ein guͤnſtiges Vorurtheil gefaßt hatte, voͤllig vertrauen zu koͤnnen. Man ließ uns unbeob¬ achtet, wie es uͤberhaupt dort und damals Sitte war, und es hing von uns ab, in kleinerer oder groͤßerer Geſellſchaft, die Ge¬ gend zu durchſtreifen und die Freunde der

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/49>, abgerufen am 21.11.2024.