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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Erwartet man nun aber, daß ich von der
Wirkung dieses bedeutenden Mannes auf mich
nähere Rechenschaft gebe, so muß ich im All¬
gemeinen jener Zeit abermals gedenken. Die
Epoche in der wir lebten, kann man die
fordernde nennen: denn man machte, an
sich und Andere, Forderungen, auf das was
noch kein Mensch geleistet hatte. Es war
nämlich vorzüglichen, denkenden und fühlen¬
den Geistern ein Licht aufgegangen, daß die
unmittelbare originelle Ansicht der Natur und
ein darauf gegründetes Handeln das Beste
sey, was der Mensch sich wünschen könne,
und nicht einmal schwer zu erlangen. Erfah¬
rung war also abermals das allgemeine Lo¬
sungswort, und Jederman that die Augen
auf so gut er konnte; eigentlich aber wa¬
ren es die Aerzte, die am meisten Ursache
hatten, darauf zu dringen und Gelegenheit
sich darnach umzuthun. Hier leuchtete ihnen
nun aus alter Zeit ein Gestirn entgegen, wel¬

Erwartet man nun aber, daß ich von der
Wirkung dieſes bedeutenden Mannes auf mich
naͤhere Rechenſchaft gebe, ſo muß ich im All¬
gemeinen jener Zeit abermals gedenken. Die
Epoche in der wir lebten, kann man die
fordernde nennen: denn man machte, an
ſich und Andere, Forderungen, auf das was
noch kein Menſch geleiſtet hatte. Es war
naͤmlich vorzuͤglichen, denkenden und fuͤhlen¬
den Geiſtern ein Licht aufgegangen, daß die
unmittelbare originelle Anſicht der Natur und
ein darauf gegruͤndetes Handeln das Beſte
ſey, was der Menſch ſich wuͤnſchen koͤnne,
und nicht einmal ſchwer zu erlangen. Erfah¬
rung war alſo abermals das allgemeine Lo¬
ſungswort, und Jederman that die Augen
auf ſo gut er konnte; eigentlich aber wa¬
ren es die Aerzte, die am meiſten Urſache
hatten, darauf zu dringen und Gelegenheit
ſich darnach umzuthun. Hier leuchtete ihnen
nun aus alter Zeit ein Geſtirn entgegen, wel¬

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[518/0526] Erwartet man nun aber, daß ich von der Wirkung dieſes bedeutenden Mannes auf mich naͤhere Rechenſchaft gebe, ſo muß ich im All¬ gemeinen jener Zeit abermals gedenken. Die Epoche in der wir lebten, kann man die fordernde nennen: denn man machte, an ſich und Andere, Forderungen, auf das was noch kein Menſch geleiſtet hatte. Es war naͤmlich vorzuͤglichen, denkenden und fuͤhlen¬ den Geiſtern ein Licht aufgegangen, daß die unmittelbare originelle Anſicht der Natur und ein darauf gegruͤndetes Handeln das Beſte ſey, was der Menſch ſich wuͤnſchen koͤnne, und nicht einmal ſchwer zu erlangen. Erfah¬ rung war alſo abermals das allgemeine Lo¬ ſungswort, und Jederman that die Augen auf ſo gut er konnte; eigentlich aber wa¬ ren es die Aerzte, die am meiſten Urſache hatten, darauf zu dringen und Gelegenheit ſich darnach umzuthun. Hier leuchtete ihnen nun aus alter Zeit ein Geſtirn entgegen, wel¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/526>, abgerufen am 25.11.2024.