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Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814.

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Diese so angenehmen als förderlichen Be¬
suche waren aber auch mit solchen durchwebt,
die man lieber abgelehnt hätte. Wahrhaft
Dürftige und unverschämte Abenteurer wende¬
ten sich an den zutraulichen Jüngling, ihre
dringenden Forderungen durch wirkliche wie
durch vorgebliche Verwandtschaften oder Schick¬
sale unterstützend. Sie borgten mir Geld ab,
und setzten mich in den Fall wieder borgen zu
müssen, so daß ich mit begüterten und wohl¬
wollenden Freunden darüber in das unange¬
nehmste Verhältniß gerieth. Wünschte ich
nun solche Zudringlinge allen Raben zur Beu¬
te, so fühlte sich mein Vater gleichfalls in der
Lage des Zauberlehrlings, der wohl sein Haus
gerne rein gewaschen sähe, sich aber entsetzt,
wenn die Flut über Schwellen und Stufen
unaufhaltsam einhergestürzt kommt. Denn es
ward durch das allzu viele Gute der mäßige
Lebensplan, den sich mein Vater für mich
ausgedacht hatte, Schritt für Schritt ver¬

Dieſe ſo angenehmen als foͤrderlichen Be¬
ſuche waren aber auch mit ſolchen durchwebt,
die man lieber abgelehnt haͤtte. Wahrhaft
Duͤrftige und unverſchaͤmte Abenteurer wende¬
ten ſich an den zutraulichen Juͤngling, ihre
dringenden Forderungen durch wirkliche wie
durch vorgebliche Verwandtſchaften oder Schick¬
ſale unterſtuͤtzend. Sie borgten mir Geld ab,
und ſetzten mich in den Fall wieder borgen zu
muͤſſen, ſo daß ich mit beguͤterten und wohl¬
wollenden Freunden daruͤber in das unange¬
nehmſte Verhaͤltniß gerieth. Wuͤnſchte ich
nun ſolche Zudringlinge allen Raben zur Beu¬
te, ſo fuͤhlte ſich mein Vater gleichfalls in der
Lage des Zauberlehrlings, der wohl ſein Haus
gerne rein gewaſchen ſaͤhe, ſich aber entſetzt,
wenn die Flut uͤber Schwellen und Stufen
unaufhaltſam einhergeſtuͤrzt kommt. Denn es
ward durch das allzu viele Gute der maͤßige
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ausgedacht hatte, Schritt fuͤr Schritt ver¬

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[524/0532] Dieſe ſo angenehmen als foͤrderlichen Be¬ ſuche waren aber auch mit ſolchen durchwebt, die man lieber abgelehnt haͤtte. Wahrhaft Duͤrftige und unverſchaͤmte Abenteurer wende¬ ten ſich an den zutraulichen Juͤngling, ihre dringenden Forderungen durch wirkliche wie durch vorgebliche Verwandtſchaften oder Schick¬ ſale unterſtuͤtzend. Sie borgten mir Geld ab, und ſetzten mich in den Fall wieder borgen zu muͤſſen, ſo daß ich mit beguͤterten und wohl¬ wollenden Freunden daruͤber in das unange¬ nehmſte Verhaͤltniß gerieth. Wuͤnſchte ich nun ſolche Zudringlinge allen Raben zur Beu¬ te, ſo fuͤhlte ſich mein Vater gleichfalls in der Lage des Zauberlehrlings, der wohl ſein Haus gerne rein gewaſchen ſaͤhe, ſich aber entſetzt, wenn die Flut uͤber Schwellen und Stufen unaufhaltſam einhergeſtuͤrzt kommt. Denn es ward durch das allzu viele Gute der maͤßige Lebensplan, den ſich mein Vater fuͤr mich ausgedacht hatte, Schritt fuͤr Schritt ver¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Bd. 3. Tübingen, 1814, S. 524. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_leben03_1814/532>, abgerufen am 25.11.2024.