Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

schuldig, aber sonst ein guter Mann ist, hat
mir eins an Zahlungsstatt angeboten; mein
Sohn kennt es, es soll ein recht brauchbares
Thier seyn.

Er mag es selbst hohlen, mag mit dem
Postwagen hinüber fahren, so ist er über¬
morgen bey Zeiten wieder da, man macht
ihm indessen den Mantelsack und die Briefe
zurechte, und so kann er zu Anfang der
künftigen Woche aufbrechen.

Wilhelm wurde gerufen und man machte
ihm den Entschluß bekannt. Wer war fro¬
her als er, da er die Mittel zu seinem Vor¬
haben in seinen Händen sah, da ihm die
Gelegenheit ohne sein Mitwirken zubereitet
worden! So groß war seine Leidenschaft,
so rein seine Überzeugung, er handle voll¬
kommen recht, sich dem Drucke seines bisheri¬
gen Lebens zu entziehen, und einer neuen ed¬
lern Bahn zu folgen, daß sein Gewissen sich

ſchuldig, aber ſonſt ein guter Mann iſt, hat
mir eins an Zahlungsſtatt angeboten; mein
Sohn kennt es, es ſoll ein recht brauchbares
Thier ſeyn.

Er mag es ſelbſt hohlen, mag mit dem
Poſtwagen hinüber fahren, ſo iſt er über¬
morgen bey Zeiten wieder da, man macht
ihm indeſſen den Mantelſack und die Briefe
zurechte, und ſo kann er zu Anfang der
künftigen Woche aufbrechen.

Wilhelm wurde gerufen und man machte
ihm den Entſchluß bekannt. Wer war fro¬
her als er, da er die Mittel zu ſeinem Vor¬
haben in ſeinen Händen ſah, da ihm die
Gelegenheit ohne ſein Mitwirken zubereitet
worden! So groß war ſeine Leidenſchaft,
ſo rein ſeine Überzeugung, er handle voll¬
kommen recht, ſich dem Drucke ſeines bisheri¬
gen Lebens zu entziehen, und einer neuen ed¬
lern Bahn zu folgen, daß ſein Gewiſſen ſich

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0103" n="95"/>
&#x017F;chuldig, aber &#x017F;on&#x017F;t ein guter Mann i&#x017F;t, hat<lb/>
mir eins an Zahlungs&#x017F;tatt angeboten; mein<lb/>
Sohn kennt es, es &#x017F;oll ein recht brauchbares<lb/>
Thier &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <p>Er mag es &#x017F;elb&#x017F;t hohlen, mag mit dem<lb/>
Po&#x017F;twagen hinüber fahren, &#x017F;o i&#x017F;t er über¬<lb/>
morgen bey Zeiten wieder da, man macht<lb/>
ihm inde&#x017F;&#x017F;en den Mantel&#x017F;ack und die Briefe<lb/>
zurechte, und &#x017F;o kann er zu Anfang der<lb/>
künftigen Woche aufbrechen.</p><lb/>
            <p>Wilhelm wurde gerufen und man machte<lb/>
ihm den Ent&#x017F;chluß bekannt. Wer war fro¬<lb/>
her als er, da er die Mittel zu &#x017F;einem Vor¬<lb/>
haben in &#x017F;einen Händen &#x017F;ah, da ihm die<lb/>
Gelegenheit ohne &#x017F;ein Mitwirken zubereitet<lb/>
worden! So groß war &#x017F;eine Leiden&#x017F;chaft,<lb/>
&#x017F;o rein &#x017F;eine Überzeugung, er handle voll¬<lb/>
kommen recht, &#x017F;ich dem Drucke &#x017F;eines bisheri¬<lb/>
gen Lebens zu entziehen, und einer neuen ed¬<lb/>
lern Bahn zu folgen, daß &#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0103] ſchuldig, aber ſonſt ein guter Mann iſt, hat mir eins an Zahlungsſtatt angeboten; mein Sohn kennt es, es ſoll ein recht brauchbares Thier ſeyn. Er mag es ſelbſt hohlen, mag mit dem Poſtwagen hinüber fahren, ſo iſt er über¬ morgen bey Zeiten wieder da, man macht ihm indeſſen den Mantelſack und die Briefe zurechte, und ſo kann er zu Anfang der künftigen Woche aufbrechen. Wilhelm wurde gerufen und man machte ihm den Entſchluß bekannt. Wer war fro¬ her als er, da er die Mittel zu ſeinem Vor¬ haben in ſeinen Händen ſah, da ihm die Gelegenheit ohne ſein Mitwirken zubereitet worden! So groß war ſeine Leidenſchaft, ſo rein ſeine Überzeugung, er handle voll¬ kommen recht, ſich dem Drucke ſeines bisheri¬ gen Lebens zu entziehen, und einer neuen ed¬ lern Bahn zu folgen, daß ſein Gewiſſen ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/103
Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/103>, abgerufen am 28.11.2024.