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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Wilhelmen stieg die Röthe ins Gesicht,
und die Wangen der artigen Verbrecherin
belebten sich gleichfalls durch die reizende
Farbe der Schamhaftigkeit. Sie schwieg und
stockte, bis die Verlegenheit selbst zuletzt ihren
Muth zu erhöhen schien.

Seyn Sie versichert, rief sie aus, daß
ich stark genug seyn würde, die Wahrheit zu
bekennen, wenn ich auch gegen mich selbst
sprechen müßte; sollte ich nun zaudern und
stocken, da sie mir Ehre macht? Ja, ich habe
ihn von dem Augenblicke an, da ich seiner
Neigung und seiner Treue gewiß war, als
meinen Ehemann angesehen, ich habe ihm
alles gerne gegönnt, was die Liebe fordert,
und was ein überzeugtes Herz nicht versa¬
gen kann. Machen Sie nun mit mir, was
Sie wollen. Wenn ich einen Augenblick zu
gestehen zauderte, so war die Furcht, daß
mein Bekenntniß für meinen Geliebten schlim¬

Wilhelmen ſtieg die Röthe ins Geſicht,
und die Wangen der artigen Verbrecherin
belebten ſich gleichfalls durch die reizende
Farbe der Schamhaftigkeit. Sie ſchwieg und
ſtockte, bis die Verlegenheit ſelbſt zuletzt ihren
Muth zu erhöhen ſchien.

Seyn Sie verſichert, rief ſie aus, daß
ich ſtark genug ſeyn würde, die Wahrheit zu
bekennen, wenn ich auch gegen mich ſelbſt
ſprechen müßte; ſollte ich nun zaudern und
ſtocken, da ſie mir Ehre macht? Ja, ich habe
ihn von dem Augenblicke an, da ich ſeiner
Neigung und ſeiner Treue gewiß war, als
meinen Ehemann angeſehen, ich habe ihm
alles gerne gegönnt, was die Liebe fordert,
und was ein überzeugtes Herz nicht verſa¬
gen kann. Machen Sie nun mit mir, was
Sie wollen. Wenn ich einen Augenblick zu
geſtehen zauderte, ſo war die Furcht, daß
mein Bekenntniß für meinen Geliebten ſchlim¬

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[117/0125] Wilhelmen ſtieg die Röthe ins Geſicht, und die Wangen der artigen Verbrecherin belebten ſich gleichfalls durch die reizende Farbe der Schamhaftigkeit. Sie ſchwieg und ſtockte, bis die Verlegenheit ſelbſt zuletzt ihren Muth zu erhöhen ſchien. Seyn Sie verſichert, rief ſie aus, daß ich ſtark genug ſeyn würde, die Wahrheit zu bekennen, wenn ich auch gegen mich ſelbſt ſprechen müßte; ſollte ich nun zaudern und ſtocken, da ſie mir Ehre macht? Ja, ich habe ihn von dem Augenblicke an, da ich ſeiner Neigung und ſeiner Treue gewiß war, als meinen Ehemann angeſehen, ich habe ihm alles gerne gegönnt, was die Liebe fordert, und was ein überzeugtes Herz nicht verſa¬ gen kann. Machen Sie nun mit mir, was Sie wollen. Wenn ich einen Augenblick zu geſtehen zauderte, ſo war die Furcht, daß mein Bekenntniß für meinen Geliebten ſchlim¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/125>, abgerufen am 26.11.2024.