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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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ausgemacht, daß der Herr Melina die Toch¬
ter heirathen sollte, dagegen sollte sie wegen
ihrer Unart kein Heirathsgut mitnehmen und
versprechen, das Vermächtniß einer Tante,
noch einige Jahre, gegen geringe Interessen,
in des Vaters Händen zu lassen. Der zwey¬
te Punkt, wegen einer bürgerlichen Versor¬
gung fand schon größere Schwierigkeiten.
Man wollte das ungerathene Kind nicht vor
Augen sehen, man wollte die Verbindung
eines hergelaufenen Menschen mit einer so
angesehenen Familie, welche sogar mit einem
Superintendenten verwandt war, sich durch
die Gegenwart nicht beständig aufrücken las¬
sen, man konnte eben so wenig hoffen, daß
die fürstlichen Collegien ihm eine Stelle an¬
vertrauen würden. Beide Eltern waren
gleich stark dagegen, und Wilhelm, der sehr
eifrig dafür sprach, weil er dem Menschen,
den er geringschätzte, die Rückkehr auf das

ausgemacht, daß der Herr Melina die Toch¬
ter heirathen ſollte, dagegen ſollte ſie wegen
ihrer Unart kein Heirathsgut mitnehmen und
verſprechen, das Vermächtniß einer Tante,
noch einige Jahre, gegen geringe Intereſſen,
in des Vaters Händen zu laſſen. Der zwey¬
te Punkt, wegen einer bürgerlichen Verſor¬
gung fand ſchon größere Schwierigkeiten.
Man wollte das ungerathene Kind nicht vor
Augen ſehen, man wollte die Verbindung
eines hergelaufenen Menſchen mit einer ſo
angeſehenen Familie, welche ſogar mit einem
Superintendenten verwandt war, ſich durch
die Gegenwart nicht beſtändig aufrücken laſ¬
ſen, man konnte eben ſo wenig hoffen, daß
die fürſtlichen Collegien ihm eine Stelle an¬
vertrauen würden. Beide Eltern waren
gleich ſtark dagegen, und Wilhelm, der ſehr
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[132/0140] ausgemacht, daß der Herr Melina die Toch¬ ter heirathen ſollte, dagegen ſollte ſie wegen ihrer Unart kein Heirathsgut mitnehmen und verſprechen, das Vermächtniß einer Tante, noch einige Jahre, gegen geringe Intereſſen, in des Vaters Händen zu laſſen. Der zwey¬ te Punkt, wegen einer bürgerlichen Verſor¬ gung fand ſchon größere Schwierigkeiten. Man wollte das ungerathene Kind nicht vor Augen ſehen, man wollte die Verbindung eines hergelaufenen Menſchen mit einer ſo angeſehenen Familie, welche ſogar mit einem Superintendenten verwandt war, ſich durch die Gegenwart nicht beſtändig aufrücken laſ¬ ſen, man konnte eben ſo wenig hoffen, daß die fürſtlichen Collegien ihm eine Stelle an¬ vertrauen würden. Beide Eltern waren gleich ſtark dagegen, und Wilhelm, der ſehr eifrig dafür ſprach, weil er dem Menſchen, den er geringſchätzte, die Rückkehr auf das

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/140>, abgerufen am 25.11.2024.