wortete; doch konnte sie einen ängstlichen Zustand nicht lange verbergen, sie schützte eine Krankheit, eine Unpäßlichkeit vor, sie beklagte sich über Kopfweh, sie wollte sich auf den Vorschlag, daß er heute Nacht wie¬ der kommen wolle, nicht einlassen. Er ahn¬ dete nichts Böses, drang nicht weiter in sie; fühlte aber, daß es nicht die Stunde sey, ihr seinen Brief zu übergeben. Er behielt ihn bey sich, und da verschiedene ihrer Be¬ wegungen und Reden ihn auf eine höfliche Weise wegzugehen nöthigten, ergriff er im Taumel seiner ungenügsamen Liebe eines ihrer Halstücher, steckte es in die Tasche, und verließ wider Willen ihre Lippen und ihre Thüre. Er schlich nach Hause, konnte aber auch da nicht lange bleiben, kleidete sich um, und suchte wieder die freye Luft.
Als er einige Straßen auf und abgegan¬ gen war, begegnete ihm ein Unbekannter, der
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wortete; doch konnte ſie einen ängſtlichen Zuſtand nicht lange verbergen, ſie ſchützte eine Krankheit, eine Unpäßlichkeit vor, ſie beklagte ſich über Kopfweh, ſie wollte ſich auf den Vorſchlag, daß er heute Nacht wie¬ der kommen wolle, nicht einlaſſen. Er ahn¬ dete nichts Böſes, drang nicht weiter in ſie; fühlte aber, daß es nicht die Stunde ſey, ihr ſeinen Brief zu übergeben. Er behielt ihn bey ſich, und da verſchiedene ihrer Be¬ wegungen und Reden ihn auf eine höfliche Weiſe wegzugehen nöthigten, ergriff er im Taumel ſeiner ungenügſamen Liebe eines ihrer Halstücher, ſteckte es in die Taſche, und verließ wider Willen ihre Lippen und ihre Thüre. Er ſchlich nach Hauſe, konnte aber auch da nicht lange bleiben, kleidete ſich um, und ſuchte wieder die freye Luft.
Als er einige Straßen auf und abgegan¬ gen war, begegnete ihm ein Unbekannter, der
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wortete; doch konnte ſie einen ängſtlichen
Zuſtand nicht lange verbergen, ſie ſchützte
eine Krankheit, eine Unpäßlichkeit vor, ſie
beklagte ſich über Kopfweh, ſie wollte ſich
auf den Vorſchlag, daß er heute Nacht wie¬
der kommen wolle, nicht einlaſſen. Er ahn¬
dete nichts Böſes, drang nicht weiter in ſie;
fühlte aber, daß es nicht die Stunde ſey,
ihr ſeinen Brief zu übergeben. Er behielt
ihn bey ſich, und da verſchiedene ihrer Be¬
wegungen und Reden ihn auf eine höfliche
Weiſe wegzugehen nöthigten, ergriff er im
Taumel ſeiner ungenügſamen Liebe eines
ihrer Halstücher, ſteckte es in die Taſche, und
verließ wider Willen ihre Lippen und ihre
Thüre. Er ſchlich nach Hauſe, konnte aber
auch da nicht lange bleiben, kleidete ſich um,
und ſuchte wieder die freye Luft.
Als er einige Straßen auf und abgegan¬
gen war, begegnete ihm ein Unbekannter, der
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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/171>, abgerufen am 23.11.2024.
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