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Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795.

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Von dem Augenblicke an merkte sie ge¬
nau, was der Kellner den beiden Freunden
für Dienste zu leisten hatte, und litt schon
des andern Tages nicht mehr, daß er ins
Zimmer kam. Sie wollte alles selbst thun,
und machte auch ihre Geschäfte zwar lang¬
sam und mit unter unbehülflich, doch genau
und mit großer Sorgfalt.

Sie stellte sich oft an ein Gefäß mit
Wasser, und wusch ihr Gesicht mit so großer
Emsigkeit und Heftigkeit, daß sie sich fast
die Backen aufrieb, und Laertes erfuhr durch
Fragen und Necken, daß sie die Schminke
von ihren Wangen auf alle Weise los zu
werden suche, und über dem Eifer, womit sie
es that, die Röthe, die sie durchs Reiben
hervorgebracht hatte, für die hartnäckigste
Schminke halte. Man bedeutete sie, und sie
ließ ab, und nachdem sie wieder zur Ruhe
gekommen war, zeigte sich eine schöne brau¬

Von dem Augenblicke an merkte ſie ge¬
nau, was der Kellner den beiden Freunden
für Dienſte zu leiſten hatte, und litt ſchon
des andern Tages nicht mehr, daß er ins
Zimmer kam. Sie wollte alles ſelbſt thun,
und machte auch ihre Geſchäfte zwar lang¬
ſam und mit unter unbehülflich, doch genau
und mit großer Sorgfalt.

Sie ſtellte ſich oft an ein Gefäß mit
Waſſer, und wuſch ihr Geſicht mit ſo großer
Emſigkeit und Heftigkeit, daß ſie ſich faſt
die Backen aufrieb, und Laertes erfuhr durch
Fragen und Necken, daß ſie die Schminke
von ihren Wangen auf alle Weiſe los zu
werden ſuche, und über dem Eifer, womit ſie
es that, die Röthe, die ſie durchs Reiben
hervorgebracht hatte, für die hartnäckigſte
Schminke halte. Man bedeutete ſie, und ſie
ließ ab, und nachdem ſie wieder zur Ruhe
gekommen war, zeigte ſich eine ſchöne brau¬

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[266/0274] Von dem Augenblicke an merkte ſie ge¬ nau, was der Kellner den beiden Freunden für Dienſte zu leiſten hatte, und litt ſchon des andern Tages nicht mehr, daß er ins Zimmer kam. Sie wollte alles ſelbſt thun, und machte auch ihre Geſchäfte zwar lang¬ ſam und mit unter unbehülflich, doch genau und mit großer Sorgfalt. Sie ſtellte ſich oft an ein Gefäß mit Waſſer, und wuſch ihr Geſicht mit ſo großer Emſigkeit und Heftigkeit, daß ſie ſich faſt die Backen aufrieb, und Laertes erfuhr durch Fragen und Necken, daß ſie die Schminke von ihren Wangen auf alle Weiſe los zu werden ſuche, und über dem Eifer, womit ſie es that, die Röthe, die ſie durchs Reiben hervorgebracht hatte, für die hartnäckigſte Schminke halte. Man bedeutete ſie, und ſie ließ ab, und nachdem ſie wieder zur Ruhe gekommen war, zeigte ſich eine ſchöne brau¬

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Zitationshilfe: Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Bd. 1. Berlin, 1795, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goethe_lehrjahre01_1795/274>, abgerufen am 22.11.2024.